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CD des Monats Dezember 2016
FLOR ENVERSA
Alvernha (Enversa)
alvernha - flor enversa
Sie sind ein Wunder: Innig versunken in sphärische Botschaften aus versunkenen Tagen geben sie sich dem Klang hin. Thierry, der sich vom Klang seiner Flöten davon tragen lässt und sich in Texte und Melodien vertieft, ohne spürbare Anstrengung in der Stimme, hingegeben an den Dienst an dieser Musik wie einst der beste Trobador an seiner Dame. Olivier mit seinen verspielten selbst gebauten Saiteninstrumenten, deren Klang so rasch verfliegt, zuvor aber nachdrücklich die nötigen Akzente setzt. Und schließlich die schneeewittchengleiche Domitille mit ihrem meist zarten, manchmal aber auch beherzten Bogenstrich, die nur dann die Stimme erhebt, wenn die Trobairitz zu Worte kommen sollen. Authenzität ist bei Flor Enversa keine aufgesetzte Attitüde, es ist das, was ihnen die angeborene Demut gebietet. Nun liegt bereits das vierte Album im "corporate design" vor, diesmal in türkis, diesmal geht es um die Sängerinnen und Sänger der Auvergne aus dem 12. und 13. Jahrhundert: Sie tragen Namen wie Peirol, Monge de Montaudon, Perdignon und Na Castelosa, Namen, die allein schon Musik sind. Flor Enversa gestalten ihre Werke in der ihnen eigenen Achtung vor der Wirkung von Ton und Wort, mal im herrlichsten Unisono von schwebender Leichtigkeit, dann wieder im improvisatorischen Umschmeicheln des überlieferten Materials. Flor Enversa schaffen den Zugang zu dem Erhabensten, was diese Zeit an Idealen zu bieten hat: die geistige Substanz, hinter der das oft blutige, eigensinnige, kleinklämerische Alltagshandeln der Fürsten und ihrer Untertanen in dieser unruhigen Zeit verblasst. Ist das Magie? Ist das Frömmigkeit? Auf alle Fälle: ein Wunder! (lj)
> Die CDs gibt es hier.

CD des Monats November 2016
CHRISTIAN REDL
Louise (Goldbek Rekords)
Louise - Christian Redl
Der in Kassel aufgewachsene Schauspieler Christian Redl (Der Untergang, Der Haammermörder, Die Päpstin) hatte schon immer Freude am Singen und Rezitieren zur Musik. So widmete er sich schon deutschen Schauerballaden (2009) und Baudelaires "Blumen des Bösen" (2010). So war der Weg zu Villon nicht weit, zumal er dem bedeutendsten Dichter des Spätmittelalters 2003 bereits ein musikalisches Hörstück gewidmet hatte. Glücklicherweise versucht Redl nicht, die wahnsinnsnahen Kinski-Interpretationen Villons zu imitieren. Er stellt ihn als einen fast altersweisen Rebellen da, der nachdenklich auf sein Leben zurückblickt. Die Umsetzung der eher düsteren Balladen aus dem 15. Jahrhundert ist in der Klangsprache aber weit entfernt von mittelalterlichen Tönen: Dezente Blues- und Rocktöne untermalen die mehr gesprochenen als gesungenen Verse Villons, wobei die Stimme immer im Mittelpunkt steht. Stellenweise erinnert das Ganze an Achim Reichel, kommt aber gebrochener und versonnener auf den Plattenteller. Musikalisch stehen Redel echte Könner zur Seite: der herausragende E-Gitarrist Marco Schmedtje, der Cellist Hanno Kuns, der Schlagzeuger Martin Engelbach, sowie Stefan Wulff und Hinrich Dageför von Ougenweide, die Redl auch kompositorisch zur Seite standen. Die Musik der beiden letzten Stücke stammt noch vom 2010 viel zu früh verstorbenen Ougenweide-Musikmagier Frank Wulff. Sie bilden ein traurig-schönes Finale des gelungenen Albums. Am Schluss flüstert Redl nur noch voller Todessehnsucht zu betörend-fernen Klängen. (lj)
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CD des Monats Oktober 2016
TANDARADEY
Bordunissimo (STP Records)
Bordunissimo Tandaradey
Das österreichische Ensemble Tandaradey um Manfred Hartl, Publikumssieger 2015 beim Falkensteiner Minneturnier, widmet sich seit vielen Jahren mit großer Begeisterung volkstümlicher und höfischer Musik vergangener Zeiten. Im Gegensatz zum herrlichen Minne-Album "Haimlich und überlaut" ist "Bordunissimo" auf den Tanzplätzen zu Hause, nicht in den geheizten Sälen der Schlösser. Alles kommt sehr ursprünglich und zupackend daher, immer wieder reißt einen der Humor Hartls mit. Die Beispiele der bordun-orientierten Musik reichen vom späten Mittelalter bis hin zu Bellman und Silcher, vom Glogauer und Lochamer Liederbuch bis hin zu zeitgenössischen Umsetzungen uralter Texte. Mal folkig-frech, mit deutlich alpenländischer Note, dann aber auch wieder um historisch-authentischen Klang bemüht, vor allem wenn Sackpfeife, Drehleier und Scheitholt erklingen. Aber auch Darabukka, Glockenspiel und sogar ein "Cognacschwenker in B" finden Verwendung. Der Ansatz der fröhlichen Produktion war es nach eigenen Worten, im Gegensatz zu anderen Programmen des Ensembles, "mit der größtmöglichen Freiheit an das vorhandene Material heranzugehen". Dabei wurde oft sogar bewusst auf Notenmaterial verzichtet, sondern die Arrangements nach dem Gehör aus der Erinnerung und mit viel Lust an der Improvisation zu entwickeln. Daraus entstand ein spielmännisch-frisches Musizieren. Klassikern wie "Es hatt ein Bauer", "Unser liebe fraue", "Ich spring an diesem Ringe" und "Heißa Kathreinerle" stehen auch echte Entdeckungen wie Bellmans Todeslied, der "Stolperstein" und das "Schloss aus Österreich" in einer Kombination aus der Glogauer Fassung und der heute gebräuchlichen Version gegenüber. (lj)
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CD des Monats September 2016
LES HAULZ ET LES BAS
Ars supernova (Ahalani Records)
Ars supernova - Les haulz et les bas
Wer mittelalterliche Bläserklänge - egal ob feierlich oder tänzerisch - liebt, kommt an Les Haulz et les Bas um Ian Harrison und Gesine Bänfer nicht vorbei. Sie haben den Klang der Alta capella verinnerlicht und widmen sich mit Klangkultur, aber auch höchster Begeisterung und Spielwitz dieser alten Tradition. Nun sind die beiden schon seit Jahren immer wieder auch auf Grenzgängen unterwegs: Ihre Ausflüge ins Folk-Genre auf den Spuren Robin Hoods und der Nordländer gingen zu Herzen. Nun wird die "Ars nova" zur "Ars supernova": Gemeinsam mit ebenso genialen Partnern aus der Jazz-Szene  überführt man bekannte Melodien wie "Douce dame jolie",  "Chançoneta tedescha" und "Das nachthorn" des Mönchen von Salzburg in ausgedehnte Improvisationen und legt moderne Grooves darunter: Die Schalmei wechselt sich mit dem Saxophon ab, "La rotta"begeistert im Balkan-Sound, die Modi der Kirchentonarten werden in Blues-Skalen überführt, bis man wieder gemeinsam beim Grundthema aus alter Zeit endet.  Das erstaunlichste ist, dass das ganze so natürlich klingt - nicht wie ein kalkuliertes Crossover, sondern ganz entspannt und voller Spielfreude. Aber "Les Haulz" gehören ja ohnehin nicht zur steifen Fraktion des edlen, klaren Klosterklanges, ihre Konzerte explodieren seit jeher vor Spielfreude. Das passt gut zum Musizieren, wie es die neuen Mitwirkenden aus der Jazz-Szene gewohnt sind: allen voran Mike Schweizer an den Saxophonen, der einen tollen Gegenpart zu Harrison abgibt,  aber auch Miguel Tantos (Posaune) und Thomas Bergmann (Gitarre).  Alta-capella- und Montalbâne-Veteran Michael Metzler hält auch im ungewohnten Umfeld von Swing, Salsa, Reggae und Funk souverän mit seiner Percussion die Band zusammen.  Mit dem Programm gewann die Gruppe übrigens den Publikumspreis des Erzgebirge-Musikfestivals und erhielt dadurch die Chance, unterstützt von Deutschland Radio Kultur dieses quirlige Album aufzunehmen.  (lj)
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CD des Monats August 2016
KORYDWENN
Jardin secret (www.korydwenn.fr)
Jardin secret - Korydwenn
Die in Wolfhagen lebende Französin Claire Bénard alias Korydwenn hat als Sängerin zur Leier nicht nur in ihrem Heimatland, sondern auch hierzulande schon einen guten Namen. Nun gibt es endlich auch ein Album von ihr, finanziert durch ein Crowdfunding-Projekt. Es enthält hauptsächlich franzsösischsprachige Lieder der Trouvères-Tradition. Sie bietet diese mit ihrer warmen, anschmeichelnd zärtlichen Altstimme in schlichten, aber wirkungsvollen Arrangements dar. So trägt sie das Frühlingslied "En avril au tens pascour" a cappella zu Vogelgezwitscher vor. Das berühmte Maien-Chanson "Saderaladon", wahrscheinlich Vorbild zu Walthers Lindenlied, singt sie im Gegensatz zur schmissigen Interpretation der meisten Kollegen in einer frei gestalteten Sangweise, um den Traumcharakter zu unterstreichen. "Quant voi la flor nouvele" aus dem 12. Jahrhundert kommt dagegen mit fröhlichem Drive zur Geltung. Das begleitende Gardon wird – wie auch später Flöte, Tambourin und Trumscheid – von Frederike Funke (Poeta Magica) gespielt. Auch Poeta-Chef Holger Funke ist mit Flöte, Sackpfeife und Drehleier an Bord. Weitere Unterstützer sind Thomas Breckheimer (Harfe) und David Marquardt (Flöte und Symphonia). Doch, wie gesagt, die Musiker bringen nur kleine Farbtupfer ins Spiel, Korydwenn vertraut in ihrem geheimen Garten auf vor allem die Ruhe und Kraft ihres Gesanges. Die französische Tradition wird nur gegen Ende des Albums verlassen: Vorbereitet durch ein Marienlied des Gautiers de Coincy sint Korydwenn a cappella Hildegard von Bingens "O viridissima virga". Geistlich klingt das Album mittelhochdeutsch aus mit einem Lied vom letzten Abendmahl: "Ich sach in einen garten gan" aus der Feder des großen Frauenlob. Im Gegensatz zur sphärischen Hildegard-Präsentation gibt es zur betörenden Melodie von Frauenlobs "Anckelwyse" aus der Colmarer Liederhandschrift ein zupackend rhythmisches Pattern von Leier und dem beeindruckenden Bass des Trumscheids. Durch die dreifache Wiederholung der Strophe bekommt die Aufforderung Christi an seine Jünger, in die Welt hinauszugehen, eine besondere Nachdrücklichkeit. (lj)
>> CD bestellen unter www.korydwenn.fr

CD des Monats Juli 2016
MINNESANGS FRÜHLING
Singet vogel singet (Verlag der Spielleute)
Minnesangs Frühling Singet vogel singet
Knud Seckel und sein Ensemble "Minnesangs Frühling", seit Jahren ein fester Begriff in der deutschen Mittelalter-Musikszene, legen ihre bislang ambitionierteste Produktion vor: Im Mittelpunkt von "singet vogel singet" steht der Minnesänger und Kreuzfahrer Otto von Botenlauben, um 1177 als Sohn des Grafen von Henneberg geboren. Von ihm sind gar keine Melodien überliefert. Diesem Umstand begegnet das Ensemble mit eigenen Tonschöpfungen, die breiten Raum für Improvisation bieten, die vor allem die Gäste Gaëlle Durand (Fidel) und Hadji Ahmed Abdali (Oud) genial nutzen. Die Neu-Vertonungen von Knud Seckel beziehen zwar bekannte Modi und melodische Modelle mit ein und spielen manchmal deutlich auf inspirierende Vorbilder an. So ist das mitreißende Lied "Die aventiure", das Knud Seckel in diesem Jahr auch beim Falkensteiner Minneturnier darbot, deutlich angelehnt an die Cantiga de Santa Maria Nummer 1 "Des oge mais", die in den Zwischenspielen auch zitiert wird. "Waere Kristes lôn" zitiert dagegen einen "Hit" Seckels, er benutzt für das Lied die selbe Vertonung wie für Veldekes "Alse di vogelle" (siehe auch das Album "Ich zôch mir einen falken" des selben Ensembles) nach Richart de Semilis "Quant le seson renovelle". Beim Schaffen Botenlaubens fällt der große Anteil von Tageliedern auf: Für die traurigen Abschiedsszenen zwischen Ritter und Dame beim Ruf des Wächters am frühen Morgen setzt Seckel mit gleich drei Sängerinnen um. Neben seiner Frau Susanne Seckel, festes Ensemblemitglied, sind Jule Bauer (Triskilian) und Claudia Heidl (Musiktheater) mit dabei und setzen gesangliche Glanzlichter. Mit Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach bringt Seckels Ensemble auch zwei berühmtere Zeitgenossen zu Wort. Hier wird der Einfluss des großen Tagelied-Dichters Wolfram deutlich, dessen "morgenblic" in seiner geradezu meditativen Stimmung mit Fidel, gotischer Harfe und zärtlichem Frauengeflüster ein Höhepunkt des Albums ist. Aber auch Walthers geniales Schmählied auf Gerhard Atze kommt zur rhythmisch-swingenden Fidelbegleitung sehr gut zur Geltung.(jah)
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CD des Monats Juni 2016
NOEMI LA TERRA und  ENSEMBLE DONNAFUGATA
La voce della passione (Raumklang)
La TerraDie Stimme des Leidens allein ist es nicht, die hier erklingt, es ist die Stimme der Leidenschaft. "Passion" hat ja diese Doppelbedeutung, die hier voll zutrifft. Es darf nicht nur geklagt werden über den Tod von Jesus, wie es hier in den Lamento-Gesängen aus Sizilien getan wird, sondern auch die Freude der mittelalterlichen Lauden wird auf ansteckende Weise deutlich: Der Tod ist nicht das letzte Wort! Für die Qualität dieser Produktion sorgen nicht nur die hochkarätigen Musiker Fabio Accurso (Saiteninstrumente, Flöte, Percussion), Susanne Ansorg (Fidel, bekannt geworden durch die Ioculatores und seither in unzähligen Mittelalter-Musikprojekten aktiv) und Peter Rabanser (Dudelsack, Duduk und Maultrommel, bekannt durch Oni Wytars). Mastermind Noemi La Terra (Gesang, Drehleier, Kastagnetten) hat sich hier wirklich hervorragende Begleiter gesucht! Vor allem aber zeigt die einer sizilianischen Familie entstammende, in Deutschland aufgewachsene Mezzosopranistin hier stimmgewaltig ihre ganze Leidenschaft für die alte Musik ihrer ursprünglichen Heimat. Zusätzliche Authentizität bekommt das Ganze durch die Lamentatori di Montedoro, eine Gruppe traditioneller sizilianischer Sänger, die das Quartett Donnafugata hier unterstützen. Eine mitreißende Produktion, die einem die Begeisterung für die christliche Heilsgeschichte auf anrührende Weise nahe bringt! (lj)
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CD des Monats Mai 2016
SANSTIERCE
Nostre Dame (Talanton)
SanstierceDie Kölner Sängerin Maria Jonas hat sich mit dem irakischen Djoze-Spieler Bassem Hawar und dem Quinternisten und Flötisten Dominik Schneider zusammengetan, um das einstimmige Repertoire der Notre-Dame-Schule aufzunehmen. Die Mariengesänge erklingen auf neue, originelle und multikulturelle Weise, sie schlagen eine Brücke zwischen Abend- und Morgenland, zwischen christlicher und islamischer Tradition. Wer weiß schon, dass Maria auch im Koran eine wichtige Rolle spielt? Der Bogen wird aber noch weiter gespannt: "Nostre Dame" ist für Sanstierce auch die aus archaischen Zeiten stammende Muttergöttin, worin Maria Jonas die Wurzel der Marienverehrung sieht. Die Arrangements der nur mit Melodie notierten Werke entwickelte das Trio intuitiv aus der reichen Erfahrung modaler Improvisation und der mündlich überlieferten arabischen Musiktradition, in der Hawar steht. Seine irakische Fidel mit ihrem hellen und prägnanten Klang  prägt den Sound dieser Gruppe am meisten.  Das Instrument stammt ursprünglich aus Indien, ist aus einer Kokosnuss-Schale gebaut und ist schon fünf Jahrtausende alt.  Und auch die Quinterne, obwohl seit dem späten Mittelalter im Abendland beheimatet, hat ihre Wurzeln anderswo, nämlich im Jemen. Großartig ist auch wieder Maria Jonas, die mit ihrem Mezzosopran der Marienverehrung Erde und Farbe verleiht. (lj)
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CD des Monats April 2016
DISCANTUS
Santa Maria (Bayard Musique)
Sanat MariaDie Cantigas de Santa Maria sind das große Weltwunder der mittelalterlichen Musik. Am Hofe Alphons des Edlen trafen maurische, christliche und sogar jüdische Musiker aufeinander. Es entstand ein mehrere hundert Lieder umfassender Corpus, der Marienpreisungen und volkstümliche, oft vergnügliche Geschichten rund um Auftritte der heiligenJungfrau im Alltag der mittelalterlichen Menschen enthielt. Obwohl dabei so unterschiedliche Musiktraditionen zusammenwirken, erhielt das ganze seinen eigenen "Sound",  eine formale Grundstruktur und Stimmung, die sowohl die einzelnen Lieder, als auch den Gesamtaufbau prägt.  Das französische Ensemble Discantus um Brigitte Lesne hat sich aus dem gigantischen Werk einige markante und nicht ganz so oft gesungene Cantigas ausgewählt.  Dazu gibt es zwei Chansons des letzten Trobadors Guiraut Riquier, der lange zum Hofkreis von Alphons gehörte und wahrscheinlich auch an den Cantigas mitgewirkt hat, sowie Marienlieder aus verwandten Traditionen. Die Umsetzungen des 1989 gegründeten, international bekannten Frauenensembles sind gewohnt vokal-orientiert - sieben kraftvolle Stimmen hat Britte Lesne zusammen gebracht. Dazu erklingen Psalter und Harfe, Fidel und Drehleier, sowie ein wenig Percussion und Glockenklang. Ein Dokument von zeitloser Schönheit. (lj)

CD des Monats März 2016
CAPELLA DE MINISTRERS
Trobadors (Extraplatte)
TrobdorsDie Capella de Ministrers gibt hier einen guten Überblick über das Schaffen der Trobadore: 22 Lieder sind zu hören, darunter Hits wie "Kalenda Maya", "Reis glorios" oder "Tant m'abelis", aber auch viele weniger bekannte Perlen aus der Überlieferung. Die spanische Gruppe wurde 1987 vom Gambisten Carles Magraner gegründet und hatte es sich ursprünglich  zur Aufgabe gemacht, das Erbe der Musik rund um Valencia einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Inzwischen gibt es mehr als 30 Alben der Capella und das Spektrum reicht weit über die Bewahrung der spanischen Kultur hinaus. Trotzdem ist es spannend, sich aus Richtung Süden dem Werk der Trobadors zuzuwenden.  Es singt die Sopranistin Ruth Rosique, das ausgefeilte und inspririerte Musizieren der Instrumentalisten spielt aber eine weit größtere Rolle als sonst bei den Trobadors üblich. Besonders herausragend ist Paul Ballesters präzises und einfallsreiches Percussion-Spiel! (lj)
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CD des Monats Februar 2016
ENSEMBLE FÜR FRÜHE MUSIK AUGSBURG
Mein traut gesell (Christophorus)
mein traut gesellDas Ensemble für Frühe Musik Augsburg ist nun schon mehr als drei Jahrzehnten stilprägend und innovativ in der Mittelalterszene. Das besondere ist die direkte und zupackende Art, mit der man sich der mittelalterlichen Überlieferung zuwendet. Mal heiter und frivol, dann aber auch wieder mit tiefem Ernst geht man diesmal den Spuren des Mönchen von Salzburg nach.  Ob er wirklich mit dem Erzbischof Pilgrim II. (Regierungszeit 1365 - 1396) identisch war, wird man wohl nie erfahren. Zumindest aber hatte dieser Mann neben seiner tiefen Frömmigkeit (siehe sein bekanntes Weihnachtslied "Josef, lieber Josef mein" und seine Elisabeth-von-Thüringen-Preisung "Gaude syon") auch eine weltliche, dem prallen Leben zugewandte Seite. Die bekommt man hier in den weltlichen Liedern zu hören. Wenn das Taghorn und das Nachthorn erklingen, wenn das "kchühorn" Knecht und Magd aus dem Heu treibt, wenn die Liebe fern aller Klischees der Hohen Minne sinnlich erfahrbar wird, dann weiß man, dass sich dieser Mönch wenigstens in Wort und Ton gut auskennt in erotischen Belangen. Und wenn der "herbst mit süessen trawben" lockt, weiß man, dass Askese für diesen Mönchen nicht das ganze Leben war. Sprachlich verspielt und musikalisch originell sind diese Lieder. Ein humorvoller Höhepunkt ist die Falkenlied-Parodie "Ich het czu hannt gelocket mir", ein augenzwinkernder Brückenschlag zur Frühphase des Minnesangs. (lj)
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CD des Monats Januar 2016
FREIBURGER SPIELLEUT
Pilgerwege (Verlag der Spielleute)
PilgerwegeDie Freiburger Spielleyt sind ein Urgestein der deutschen Mittelaltermusikszene, geprägt durch die Stimme von Regina Kabis und die musikalische Vielseitigkeit von Mastermind Albrecht Haaf. Im CD-Programm von Minnesang.com gibt es nun eins der besten Alben des Ensembles, im Original erschienen 2000 im Verlag der Spielleute. Auf diesem Album wird der Jakobsweg, der dank Hape Kerkelings Buch und seiner Verfilmung mit Hape Kerkeling gerade wieder in aller Munde ist, musikalisch nachvollzogen. Das beginnt schon mit "Wer daz elend bawen will", einem alten Lied, das den beschwerlichen Weg nach Santiago de Compostella beschreibt. Die weitere Wanderung umfasst französische, italienische und natürlich reichlich spanische Lieder und Instrumentalstücke aus dem 13, 14. und 15. Jahrhundert.  In klangschönen Versionen erklingen Klassiker wie der mitreißende Saltarello, "Mariam matrem" und "Cunti simus" aus dem Llibre Vermell de Montserrat und natüßlich auch zwei Cantigas de Santa Maria. Am Ziel erklingt schließlich "Mandad el comigo" aus den Cantigas de Amigo. Das vom SWR mitproduzierte Album dokumentiert ein Rundfunkkonzert von 1999 und besticht auch durch seine Konzertatmosphäre und Lebendigkeit. (lj)
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CD des Monats Dezember 2015
Ala Aurea/Ars Choralis Coeln, Les Maries du Rhin (Talanton, WDR)
Les Maries du RhinEigentlich liegt die CD schon lange auf meinem Schreibtisch und lockt mit den herrlichen Antlitzen diverse Marienstatuen. Nun, da Maria wieder durch den Dornwald geht, ist wohl der richtige Zeitpunkt, das Kleinod zu würdigen. Dass Marienverehrung so viele Facetten und Gesichter hat, beweisen nicht nur die Fotos dieser Skulpturen, die in Kapellen am Rande des Rheines aufgenommen wurden. Gleiches gilt auch für die hier zusammengetragenen Lieder, die zum größten Teil aus einer Pergamenthandschrift aus dem späten 15. Jahrhundert stammen, in der Nähe von Utrecht entstanden und katalogisiert als "Ms Berlin 190". Die Ursprünge der meisten Lieder sind viel älter; Ala Aurea und Ars Choralis Coeln unter Leitung der quirligen Trobairitz Maria Jonas bringen mit großem Einfallsreichtum die sehr unterschiedlichen Marienhuldigungen zum Klingen. Da gibt es kurze zündende Tanzlieder im Stile der Carmina Burana, dann wieder ich ins Jenseits ausdehnende melodische Meditationen à la Hildegard von Bingen. Vorgeführt wird auch, dass "Call and Response" zwischen Solist(in) und Chor nicht erst eine Gospeltechnik ist, sondern schon hinter Klostermauern voller Begeisterung zelebriert wurde. Die herrlichen Frauen-Chöre im großartigen Nonnen-Unisono oder in Quint-, Quart- und Bordunklängen wecken selbst in einem abgebrühten, im Diesseits verwurzelten Skeptiker mit urprotestantischer Sozialisation die Sehnsucht nach selbstvergessenem klösterlichem Einklang. Musikalisch bekommt das Album vor allem durch Hackbrett und die Michael-Metzler-Glocken Würze, nicht zu vergessen die fantasievollen Improvisationen von Flöte (Lucia Mense) und Fidel (Susanne Ansorg). Freunde des Minnesangs werden jubeln bei "Mij lust de loven hochentlijc" mit seiner unendlich traurigen Melodie, die in bester Trobadormanier umgesetzt wurde – ein Lied, dessen weltliche Fassung dem Zwoller Geistlichen Dirc van Herxen von seiner Magd vorgesungen wurde. Der liebestrunkene Text behagte ihm aber gar nicht, so dass er zwei geistliche Fassungen in Latein und Niederländisch schrieb. Herauszuheben ist auch noch die Ballade von der Heiligen Gertrud, gesungen zu einer alten Balladenmelodie, auf der auch schon der Tannhäuser gepriesen wurde: Auf augenzwinkernde und legendenhafte Art wird Wundersames aus dem Leben der im Kloster Helfta beheimateten Zisterzienserin zusammengetragen. In der Version des Albums wird der Teufel dabei zu "ene Kölsche Jong", aber keine Angst: Rechts und links des Rheines gibt es Marien genug, um alles Böse zu bannen! (lj)

CD des Monats November 2015
Ensemble für Frühe Musik Augsburg: Weihnachten im Mittelalter (Christophorus)
Weihnachten im Mittealter"Et in terra pax (Geistliche Musik des Mittelalters)" war der etwas spröde Titel dieses Albums des Augsburger Ausnahme-Ensembles, das lange nur antiquarisch zu hohen Preisen zu finden war. 2004 legte Christophorus das Werk unter dem griffigen Titel "Weihnachten im Mittelalter" neu vor: Zu hören sind nicht die üblichen Verdächtigen von "Joseph, lieber Joseph" über "In dulci jubilo" bis hin zu "Es kumpt ein schiff", statt dessen kunstvolle Motetten und Gesänge von Adam de la Hall bis Oswald von Wolkenstein, dazu auch hervorragende Beispiele für frühe Gesänge zur Orgel. Der Schwerpunkt liegt auf Musik des späten Mittelalters, den klassisch geschulten Instrumentalisten und Sängern gelingen klangschöne, hervorragend intonierte Perlen fürs Fest. Innig, besinnlich, manchmal aber auch von frommer Fröhlichkeit! Es erklingen Laute, Flöte, Fidel, Pommer und Psalterium im Mittelpunkt steht aber eindeutig die menschliche Stimme. Sabine Lutzenbergers überirdischer engelsgleicher Gesang wechselt mit dem eher am Minne-Idiom geschulten, textorientierten Stil der Kollegen Hans Ganser und Reiner Herpichböhm, wodurch das ganze sehr abwechslungsreich klingt. Am schönsten jedoch ist der Chorgesang des Ensembles, vor allem im herrlichen Oswald-Finale "Ave Mater o Maria".  (lj)
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CD des Monats Oktober 2015
Musiktheater Dingo: O Maria Flos Virginum (Dingo Musik und Theater e.V.)
O Maria Flos VirginumLange vergriffen, jetzt in einer Neuauflage wieder da: das dritte Mittelalter-Album vom Musiktheater Dingo, ein Live-Mitschnitt aus der Altstädter Kirche Hofgeismar und der Ev. Kirche Nieheim. Interessant sind schon die unterschiedlichen Klänge der Kirchenräume: Die Hofgeismarer Kirche mit ihrem beeindruckenden, warmen Hall auch in den tiefen Lagen gegen den wesentlich kleineren Kirchenraum in Nieheim, der aber mehr Durchsichtigkeit und Präsenz in den Höhen bietet. Der archaisch-sakrale Klang aus Hofgeismar verleiht  vor allem den Chorpassagen Würde und Größe - grandios die titelgebende Antiphon "O Maria Flos Virginum" in einstimmiger und vierstimmer Version und Chorfassungen von Walthers Palästinalied und Wizlaws "Dîsiu heilige zît". Einem Minnelied wie Walthers "Muget ir schouwen" kommt dagegen der Nieheimer Raum eher entgegen. Dieses wird von Reinhold Schmidt in neuhochdeutscher Nachdichtung vorgetragen. Aus dem Llibre vermell sind "Mariam matrem" und "Stella splendens" zu hören, hier überzeugt die klare Altstimme von Katharina grote Lambers. Die Sopranistin Dagmar Jahn und der beeindruckend Bass Jochen Faulhammer bieten eine immer wiederkehrende Suite von Strophen aus den Cantigas de Santa Maria, zusammengehalten durch den Chorrefrain aus der Cantiga 100 "Santa Maria strela do dia".  Etwas sehr gemächlich kommt Gisbert Ostermanns Version von Neidharts "Meie dîn", das Lied wurde von Dingo live später spritziger interpretiert. Wizlaws Spruchmelodie zu "Ô Marîâ, dîn sueze vruht" wirkt im Chorarragement etwas gekünstelt, im Gegensatz zu seinem Tagelied, das als überzeugender Weckruf des Ritters, der Abschied nehmen muss, anrührt. Schlicht und schön schließlich das traurigster aller Trobador-Lieder: "De moi doleros" von Gillebert de Berneville, in dem ein Mensch, der die Liebe nie kennenlernen durfte, von Dagmar Jahn eindrucksvoll besungen wird. (gl)
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CD des Monats September 2015
Elster Silberflug: Ich fahr dahin/Komm in meinen Rosengarten (Sireena)
Elster SilberflugNeben Ougenweide waren Elster Silberflug ein Muss in der Räucherstäbchen- und Wehende-Kleider-Szene der Siebziger. Nun hat Sireena die klassischen Alben, die viele noch verkratzt und verstaubt als Vynil im Wohnzimmerschrank haben, als CD neu aufgelegt. Barbara und Ulli Freise sind ja auch heute noch von Zeit zu Zeit aktiv, auf den Mittelaltermärkten der 90er waren sie nach fast einem Jahrzehnt Pause gemeinsam mit Frederike und Holger Funke unterwegs, die später Poeta Magica gründeten. Ein Teil der Elster-Musiker wanderte auch zu Bernies Autobahn Band, währen Ulli Freise lange als Musiker des grandiosen Zelttheaters Compagnia Buffo durch die Lande zog. Nun also endlich wieder die Klassiker – "Zum Tanze, da geht ein Mädel", "Es gingen drei Gesellen", "Klein wild Vögelein" und "Drei Laub auf einer Linden", deutschsprachiger Folk mit viel Liebe zum Detail, voll von dem naiv-alternativem Aufbruchsgeist, der die Siebziger so schön machte. Mit "Laubblätter tanzen" ist auch eine Nachdichtung des herrlichen Wizlaw-Liedes "Loibere risen" dabei. Beim Hören dieser Klänge merkt man, wie viel Ruhe und Bodenständigkeit uns in der Zeit von Smartphone und Internet verloren gegangen ist. Darauf einen Kräutertee! (lj)

CD des Monats August 2015
TRISKILIAN: Bell'amata – Liebe und Leidenschaft (Selbstverlag)
TriskilianTriskillian sind eine der emsigsten Gruppen der deutschen Mittelalterszene, immer pendelnd zwischen Markt und Konzertsaal, in beiden Bereichen können sie gut bestehen. Vor Jahren hatten sie ein wunderschönes Album mit historisch-authentischen Mittelalterklängen aufgenommen: "Do durch der werlde", die CD hatte nur einen Fehler: Sie war zu kurz. Nach Ausflügen in andere Genres, wo Jule Bauers wunderbarer Gesang auf Fantasy- oder Electro-Klänge traf, nun wieder ein Album in diesem Stil. Diesmal zum Glück fast eine Stunde lang! Neu im Klangbild ist Philipp Grebs Cister, die aber im Zusammenspiel mit Christine Hübners Percussion Dirk Kilians  Multiinstrumentarium und Jule Bauers überirdische Vocals erdet. Hochkarätige Gäste wie Marco Ambrosini, Ian Harrison und Holger Funke geben den letzten Schliff. Das Repertoire des Albums umfasst Minne- und Trobairitzlieder mit Schwerpunkt auf der weiblichen Perspektive, aber auch Geistliches aus den Cantigas de Santa Maria und dem Llibre vermell. Höhepunkte sind Beatriz de Dias "A chantar" und Wizlaw von Rügens "Loibere risen". Einige Klassiker wie des Kürenbergers Falkenlied, die Carmina-Burana-Nummer "Chume, chum geselle min" und das Trobairitz-Lied "Quan vei los praz verdesir" werden auf überraschende Art neu vertont. Schön ist auch, dass die englische Mittelaltermusik, die hierzulande fast gar nicht erklingt, mit "Bryd one brere" und "Edi beo thu" ist sie zweimal hervorragend vertreten. Was einem bei der Vielsprachigkeit fehlt, sind die Texte mit Übersetzung im Booklet oder wenigstens per Link. Trotzdem: Großartig! (lj)

CD des Monats Juli 2015
Irrlichter: Zaubergarten (Christophorus)
Irrlichter ZaubergartenAuf ihrem aktuellen Album präsentieren sich die einst fünfköpfigen Irrlichtern nur noch im Dreiklang: Brigitta Jaroschek, Steffi Keup-Büser und Jutta Simon-Alt locken in ihren Zaubergarten. Alle drei haben ihr musikalisch-instrumentales Spektrum erweitert, so dass man nichts vermisst. Hilfestellung gibt es von der Cellistin Annika Thoma und den Streunern, Martin Seifert hat sogar ein Lied von der Fee beigesteuert. Der märchenhafte Charakter, den man nach dem Titel schon erwartet hatte, zieht sich durchs ganze Album - Elfen, Lindwürmer und Nixen geben sich die Klinke in die Hand. Ein wenig mittelalterliches Flair gibt es dann doch noch mit dem "Lorscher Bienensegen", den Jutta Simon-Alt wirklich schon vertont hat. Und es folgt eine Huldigung an Ougenweide, denen die Irrlichter ihren Dreifachsieg beim Falkensteiner Minneturnier 2010 verdanken: Frank Wulffs unsterbliche Fassung der "Merseburger Zaubersprüche" wird hier in einer neuen klangschönen Version dargeboten. (lj)

CD des Monats Juni 2015
Ensemble Leones: Hör kristenhait (Christophorus)
Leones Hoer kristenhaitFromme Lieder der letzten Minnesänger versprechen die Leones hier, und natürlich stehen Oswald von Wolkenstein und der Mönch von Salzburg im Mittelpunkt eines solchen Albums, neben Michel Beheim, Richard Loqueville und Fridolin Sicher, die mit je einem Lied vertreten sind. Beeindruckend ist die stimmliche Vielfalt: Sabine Lutzenberger, Raitis Grigalis und Marc Lewon sorgen alle drei mit hochkarätigem, aber eben ganz unterschiedlichem Gesang für Farbe im Klangbild. Obwohl, vielleicht auch gerade weil die beiden erstgenannten typische Sänger klassischer Art sind, gelingt Marc Lewon der "minnesängerischste" Vortrag, er setzt seine Interpretation, bei der Wort und Sinn sofort zu erfassen sind, ganz in den Dienst des Textes. Hinzu kommt der stets fantasievolle und improvisationssichere Baptiste Romain mit Fidel, Rotte und Sackpfeife und natürlich die Lautenklänge von Mastermind Lewon. Das Titelstück, das Lewon selber singt, ist der Höhepunkt des Albums: Oswald von Wolkenstein gebärdet sich dabei als Mahner aller Sünder, auf den Weg zur Tugend zurückzukehren und die Wonnen der irdischen Minne gegen die "geistliche Brunst" und Keuschheit einzutauschen. Aber man weiß ja, dass Oswald in der Lage ist, mit größter Überzeugungskraft die unterschiedlichsten Rollen einzunehmen! Lewon bringt die Botschaft so überzeugend herüber, dass man sich gleich in die klösterliche Klause zurückziehen möchte. Auch der Mönch konnte ja bekanntlich erotisch richtig zur Sache gehen, hier empfängt er dagegen ein goldenes Ringlein von Maria persönlich. Am Ende gibt es Oswalds "Ave mater" in einer herrlichen dreistimmigen Version. Das Album macht deutlich, dass die Minnedichter es verstanden, auch dem geistlichen Lied eine individuelle, persönliche und damit ganz besondere Note fern aller kirchlichen Klischees zu geben. Dank dafür! (lj)

CD des Monats Mai 2015
Wünnespil und Freunde: Olden Times (Selbstverlag)
Wuennespil Olden TimesMit "Argentea" haben Wünnespil im Verlag der Spielleute einst ein Meisterwerk mit Musik am Wendepunkt von Mittelalter zu Renaissance vorgelegt, das immer noch Beachtung findet. Neben der Kernbesetzung, dem Duo Klaus und Jutta Peill, waren damals auch noch Marc Lewon und Knud Seckel mit dabei. Inzwischen ist Klaus senior verstorben, sein Sohn mit dem selben Namen musiziert inzwischen gemeinsam mit seiner Mutter und dem Harfenisten Fionn Ruadh. Auch Lewon – kaum eine CD im Mittelaltergenre ohne seine Mitwirkung – konnte wieder gewonnen werden, daneben sind Frank Weber, Jutta Weber-Karn, Leander Reininghaus und Milena Georgieva mit an Bord. Das ganze hat einen deutlich folkigen Touch, das Repertoire reicht vom isländischen Volkslied über ein An Dro Medley bis hin zur englischsprachigen Eigenkomposition und zur deutschn Fassung einer irischen Ballade. Irland und Island stehen deutlich im Mittelpunkt. Für Freunde mystisch-verträumter Klänge! (lj)

CD des Monats April 2015
Per-Sonat: Walther von der Vogelweide - Lieder von Macht und Liebe (Christophorus)
Per-Sonat WaltherAngesichts der Bedeutung und des Ruhms von Walther von der Vogelweide ist es erstaunlich, dass bislang nur wenige Alben ausschließlich seinem Werk gewidmet ist. Der Minnesang.com-Redaktion liegt hier jedenfalls bislang erst der dritte Walther-Longplayer vor: Zunächst der Bärengässlin-Klassiker von 1980, dann die Verlag-der-Spielleute-Compilation „Saget mir ieman: waz ist Minne?“ (2007)  und nun „Lieder von Macht und Liebe“ von Per-Sonat. Das Problem bei jedem derartigen Projekt ist natürlich die extrem eingeschränkte, zudem äußerst disparate Melodienüberlieferung, die einem übergroßen Textkorpus gegenüber steht. So muss man nicht nur suchen und sammeln, sondern auch die Kreativität walten lassen, um Text und Musik adäquat zu würdigen und zusammenzubringen. Das vorliegende Werk ist trotzdem aus einem Guss, dafür gebührt dem Ensemble schon mal höchstes Lob. Auf bewährten Pfaden bewegt man sich allein mit dem „Lindenlied“ in der „En-mai“-Melodie und dem im Münsterschen Fragment überlieferten „Palästinalied“: Bei beiden Stücken hat sich eine Interpretationstradition etabliert, die kaum noch Spielraum lässt. Aber man kann auch anderes probieren: So wurde der Reichston nicht wie üblich nach Puschmanns Singebuch vertont, sondern nicht minder eindrucksvoll im Kreuzton nach Valentin Voigt. Sehr schön auch das vieldeutige Lied „Do der sumer komen was“ zu einer Weise des melodisch stets großartigen Meister Alexander aus der Jenaer Liederhandschrift. Das lyrisch beeindruckende Vokalspiel „Die welt was gelf rot unde bla“ - alle Reime der ersten Strophe enden auf a, in den weiteren Strophen folgen e, i, o, u -  wurde in einer Melodie des Trouvères Gautier d'Espinal umgesetzt, auch das ein Glücksgriff! Höhepunkt der eigenen Denkarbeit ist die Umsetzung des Unmutstones, wobei man Teile des unvollständig überlieferten König-Friedrichs-Tones um einen Teil des Conductus „Unicornis captivatur“ aus dem Codex Engelberg ergänzt hat. Erstaunlich auf den ersten Blick, aber es funktioniert! Frau Lutzenberger singt wie immer strahlend schön, was dort, wo's minniglich, lyrisch oder sakral wird, besonders gut wirkt. Bei Walthers Trotz- und Wutausbrüchen fehlt einem manchmal dann doch eine aufbegehrende Männerstimme. Die instrumentale Umsetzung mit Fideln, Dreh- und Streichleier, ab und zu Sackpfeife und Flöte wirkt rund und stimmig, auch Baptiste Romains Zwischenspiele, die manch überlieferte Melodik fortspinnen, passen. Erfreulich, dass hier auch der Walther zugeschriebene „goldene Ton“ erklingt. Insgesamt eine schöne Mischung aus Minne und Spruchgesang, aus Klassikern und mancher Neuentdeckung. Trotzdem: Die Walther-Hits „Wol mich der stunde“ oder „Muget ir schouwen“ fehlen, vor allem aber die großartige Alters-Elegie. Die findet aber einen fast gleichwertigen Ersatz mit dem testamentarischen „Ich wil nû teilen ê ich far“, so dass es doch noch Walthersche Wehmut zum Ausklang gibt, eine Stimmung, die Romain mit der irgendwie tröstlichen Eigenkomposition „Iferunge“ zur Erinnerung an einen der größten Dichtermusikanten, die wir hatten, aufgreift und überhöht. (lj)
> Walther-CDs bestellen:
- Per-Sonat: "Walther von der Vogelweide - Lieder von Macht und Liebe" hier.
- Diverse: "Walther von der Vogelweide - Saget mir ieman: waz ist Minne?" hier.
- Bärengässlin: "Walther von der Vogelweide" hier.

CD des Monats März 2015
Eberhard Kummer: Nibelungenlied (Stereo)
NibelungenliedDas Nibelungenlied in gesungener Form kennen heutige Mittelalter-Fans vor allem durch die Interpretation von Knud Seckel und seinem Ensemble "Minnesangs Frühling".  Doch über Seckels gelungener Version sollte der Veteran der gesungenen Epen-Interpretation nicht vergessen werden: Der 1940 geborene Wiener Sänger Eberhard Kummer hat sich  bereits bei seinem dritten Album 1984 zu Beginn seiner Karriere dem Nibelungenlied mit Hingabe zugewandt. Seither hat er es unzählige Male vorgetragen, einmal sogar bei einem mehrtägigen Konzert, von Anfang bis zum Ende.  Die vorliegende CD, die auch die anderen im Hildebrandston sangbaren Stücke - Walthers Alters-Elegie und das Falkenlied und die dazu gehörigen weiteren Dichtungen des Kürenbergers - enthält, fußt nicht auf der 84 erschienenen LP, sondern auf der ursprünglich bei Extraplatte verlegten LP-Aufnahme von 1998.  Mit seiner beeindruckenden Bass-Stimme und viel Einfühlungsvermögen erweckt Eberhard Kummer die schaurigste und deutscheste aller Heldengeschichten zum Leben. Gesungen wird ganz puristisch abwechselnd zur Harfe und zur Drehleier, wobei die Variationsbreite sowohl der gesanglichen als auch instrumentalen Umsetzung begeistert. Auf dem Album finden sich die erste, die zehnte, die 16., die 25. und die 39. Aventiure. D.h. es gibt die Exposition mit Vorstellung der Charaktere inklusive Kriemhilds Falkentraum, die Doppelhochzeit und den Mord an Siegfried aus dem ersten Teil. Aus dem zweiten Teil wurden die Donau-Überquerung und der blutrünstige Schluss ausgewählt. Ohne Zweifel die emotionalen Höhepunkte des Stückes, die Kummer gekonnt zur Geltung bringt. Man kann sich heute nicht mehr vorstellen, auf wieviel Skepsis, ja Widerwillen noch in den 80ern Kummers Versuch stieß, Ependichtung in der ihr gemäßen Form gesungen vorzutragen.  Nicht zuletzt durch die unermüdliche Unterstützung des viel zu früh verstorbenen Salzburger Germanistik-Professors Ulrich Müller setzte auch im akademischen Bereich nach und nach ein Umdenken ein. Kummer sang inzwischen auch "Kudrun", das Hildebrandslied und "Laurin" auf CD ein und trug bei Konzerten Ausschnitte aus "Tristan" und "Parzival" vor. Wer viel Zeit zum Hören hat, kann auch Kummers Nibelungenlied von Anfang bis Ende erleben: Das Chaucer-Studio hat 2006 eine dreißig Stunden lange (!)  MP3-Doppel-CD vorgelegt, auf der das Werk in toto erklingt. (lj)
>> Die CD ist bei  Minnesang.com erhältlich zum Preis von 15 Euro plus 3 Euro Versand!

CD des Monats Februar 2015
Leones: Argentum et Aurum (Naxos)
Argentum et aurum„Argentum et aurum“ - das ist zunächst einmal das Eingangsstück der CD, eine Antiphon aus der Feder von Heinrich Isaac: Dort singt man in Latein, dass man weder über Silber noch Gold verfügt, aber trotzdem alles, was man hat, Gott darbringt. Silber und Gold ist auch das, worüber die Habsburger in der frühen Renaissance reichlich verfügten – der Musikkultur rund um den Habsburger Hof ist das Album gewidmet. Die musikalischen Schätze, die hier ausgegraben und in 10 Fällen sogar erstmalig eingespielt wurden, umfassen das gesamte 15. Jahrhundert. Silber und Gold kann man aber auch auf zwei unterschiedliche Musikstile beziehen, die diese Zeit des Übergangs prägten und im friedvollen Nebeneinander existierten: die bordungestützte mittelalterliche Sang- und Klangkultur einerseits, die Liedsätze, die schon in die Funktionsharmonik zielten, andererseits. Die Leones wählen auf dem Album mit Laute, Drehleier und Vielle in pythagoräischer Stimmung auf der einen Seite und der mitteltönig gestimmten Viole d'arco auf der anderen Seite sogar zwei Klangfarben, die das Kontrastieren der musikalischen Edelmetalle noch unterstreichen. Freunde des Minnesangs kommen durchaus noch auf ihre Kosten: Oswald, der „letzte Minnesänger“, ist ausführlich mit dem frechen „Fröhlich geschrai“, „Heya“ und dem besinnlichen „Zergangen ist meins herzen we“, sowie Instrumentalversionen von „Durch Barbarei, Arabia“ und „Freu dich, du weltlich creatur“ vertreten. Der Mönch von Salzburg lässt zur Mittagszeit das Kühhorn ertönen – für Komik ist gesorgt, wenn es die Magd nach dem mittäglichen Liebesspiel zu den noch ungemolkenen Kühen drängt, der Knecht sie aber nicht gehen lassen will. Das ganze wird musikalisch reizvoll im A-cappella-Duett von Mann und Frau umgesetzt. Das 15. Jahrhundert ist ja auch die Zeit, als man die Neidhart-Tradition kräftig fortführte und viele Lieder, die dem Reuentaler zugeschrieben wurden, zu Pergament brachte. Neidhartlieder und -schwänke erfreuten sich nach wie vor großer Beliebtheit. Mit „Der sunnen glanst“, „Urlaub hab der wintter“ und vor allem „Do man den gumpel gampel sanc“ gibt es markante Beispiele dieser späten Neidhart-Rezeption. Letzteres ist mit allen 14 Strophen in einer von Marc Lewon hervorragend gesungenen 8-Minuten-Version zu hören – textlich haben wir es eigentlich mit zwei Liedern zu tun: Interessant ist vor allem der erste Teil, der Neidharts Mitwirkung beim Kreuzzug illusionslos schildert – er wird verletzt und betont, dass er nie wieder mit Kaiser Friedrichs Heer ziehen wird. Zuhause erwarten ihn allerdings schon wieder Engelmar und seine irren Dörpergesellen, um ihm das Leben schwer zu machen. Das Lied klingt dann mit einer der stets beliebten fröhlichen Mutter-Tochter-Szenen aus. Spannend ist für den Minne-Liebhaber auch Hugo von Montfort „Ich fragt ain wachter“ – hier wird die Form des Tageliedes ins Geistliche gewendet, der Wächter mahnt zur Umkehr vom gottlosen Leben, was die Leones musikalisch großartig unterstreichen, hier kann sich der zum Sakralen drängende Gesang von Els Janssens-Vanmunster über flächigem Klang entfalten. Ohnehin liegt das Geistliche ja der eher zurückhaltenden Interpretationsweise der Leones, so kommen auch die Marienlieder und Motetten aus dem Jahrhundert der aufstrebenden Habsburger gut zur Geltung.  (lj)

CD des Monats Januar 2015
Ars Cameralis: Gothic Music in Bohemia (Authentic)
Ars CameralisLukáš Matoušek hat in seiner tschechischen Heimat einen guten Namen als Komponist zeitgenössischer klassischer Musik, beeinflusst von Zwölftonmusik und Aleatorik. Er widmete sich als Ensembleleiter von Ars Cameralis aber auch mittelalterlichen Klängen. Kürzlich entdeckte ich eine Perle, die bereits Mitte der 80er Jahre entstand: das Album „Gothic Music in Bohemia“. Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert reicht der prächtige Bogen, der hier gespannt wird, buntschillernd und musikalisch höchst abwechslungsreich. Prag war im Mittelalter ein Zentrum höfischer Kultur, kein Wunder, dass hier auch die Sänger aus dem deutschsprachigen und romanischen Raum sich einfanden. Illustre Gäste wie Neidhart, der Tannhäuser, Machaut, Landini und Dufay fanden sich an und werden gebührend gewürdigt. Hinzu kommen Beispiele, wie sich ddie Musik der Trobadors und Minnesänger sowie die geistliche Musik aus West- und Südeuropa sich im leider nur spärlich überlieferten Schaffen böhmischer Künstler der damaligen Zeit niedergeschlagen hat. Auffällig an dem Album ist die schiere Masse des Materials: 31 Stücke sind zu hören – da reicht die Zeit oft nur für eine Strophe, viele Tracks sind kaum länger als eine Minute. Die Arrangements sind einfach und zurückhaltend, der Gesang der leider etwas angestrengt wirkenden und omnipräsenten Sängerin Zuzana Matouška wird meist nur spärlich begleitet. Dabei kommt aber alles zum Einsatz, was das zeitgenössische Instrumentarium zu bieten hat: von Fidel  und Rebec über Citole und Harfe , Portativ, Dulcimer und Zimbeln, allerlei Schlagwerk bis hin zu den Flöten, Gems- und Krummhörnern, die der Ensemble-Chef selber beisteuert. Richtig schön, wenn mal zwischendurch wie bei "More festi querimus" Temperamentvolles die höfische Innigkeit aufbricht!  Insgesamt ein Kompendium der höfischen Musik, die man im Mittelalter im böhmischen Raum erleben konnte. Die schiere Masse des Materials macht es dem praktizierendem Musiker leicht, der schnell einen Klangeindruck von den Melodien bekommen möchte.  (lj)

CD des Monats Dezember 2014
Ensemble Dragma: Kingdom of Heaven – Heinrich Laufenberg (Ramée/Outhere)
Dragma: Kingdom of HeavenHeinrich (von) Laufenberg lebte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Er wirkte u.a. als Kleriker in Freiburg/Breisgau und starb 1460 im Straßburger Johanniterkloster.  Sein umfangreiches Werk ging mit vielen anderen mittelalterlichen Handschriften beim Brand der Straßburger Stadtbibliothek in Flammen auf, konnte aber zu großen Teilen aufgrund der Sekundärliteratur rekonstrumiert werden. Er gilt als einer der wichtigsten mittelalterlichen Liederdichter, heute kennt man vor allem noch das Weihnachtslied „Ach lieber Herre Jesu Christ“ und „Ich wollt, dass ich daheime wär“, beide sind im Evangelischen Kirchengesangbuch vertreten. Letzteres ist auch auf dieser Einspielung zu finden. Laufenbergs durchgängig deutschsprachige Lieder korrespondieren übrigens mit der damals sich ausbreitenden Laienfrömmigkeit. Das Ensemble Dragma besteht aus Marc Lewon (Laute, Gesang), Agnieszka Budzińska-Bennett (Gesang, Harfe, Symphonia), bekannt auch von ihrem Ensemble Peregrina) und Jane Achtmann (Vielle, Glocken). Als Gäste sind an einigen Stellen noch Hanna Marti und Elizabeth Rumsey zu hören. Laufenbergs Musik ist eingängig und emotional, sie wird hier verbunden mit zeitgenössischen Werken, die zum größten Teil anonym überliefert sind. Als großer Name taucht nur der Mönch von Salzburg auf, der Laufenberg inspiriert hat. Interessant ist das Changieren zwischen dem bordunorientierten und improvisatorisch begleiteten Vortragsstil der Minne- und Spruchgesangs-Ära und der frühen Mehrstimmigkeit aus dem Buxheimer Orgelbuch und der vor einigen Jahren entdeckten Wolfenbüttler Lautentabulatur (von Lewon hier erstmals eingespielt auf der Plektrumlaute). Hier wird ein Stil-, ja Epochenwandel deutlich. Sehr unterschiedlich ist auch die Herangehensweise der Vokalisten: Budzińska-Bennetts Sopran schwebt ätherisch über den perlenden Lautenklängen und den Streicherflächen, Lewon dagegen nähert sich den manchmal geradezu naiv-frommen Texten Laufenbergs auf zurückhaltend-intime, eindringliche Weise. Besonders reizvoll sind die Lieder, bei denen beide Stimmen und Stimmungen aufeinander treffen, etwa „Woluf, du böse welt gemein“. Am meisten zu Herzen geht aber „Ker din herz von hinnen“, eine Ersteinspielung: Hier singt Heinrich Laufenberg eine junge Frau an und wirbt dafür, dass sie Familie, Macht und Ehre, weltliches Verlangen und bitteres Leid hinter sich lässt. Ziel ist ist die Gottesminne, die helle Herzensfreuden ohne Begehren zu bieten hat. Marc Lewon singt den Text auf die ebenso traurige wie herrliche Melodie so betörend schön, dass man tatsächlich ins Grübeln kommt, ob man sich nicht selber auf den beschriebenen Weg begeben sollte. (lj)

CD des Monats November 2014
Arianna Savall/Peter Udland Johansen und Hirundo Maris: Vox Cosmica (Carpe Diem Records)
Vox cosmicaInstrumente im Gottesdienst – das war vielen Klerikern im Mittelalter ein Dorn im Auge bzw. im Ohr. Für sie waren Instrumente des Teufels, ihr zu Herzen gehender, betörender Klang ein Ausdruck von Sinnlichkeit, die in Kirche und Kloster nichts zu suchen hatten. Hildegard von Bingen sah das anders. Sie sah die Musik  als Hilfsmittel, „die ursprüngliche Freude und die Schönheit des Paradieses“ wieder zu erlangen. Ihr Biograph und Mitstreiter Wilbert von Gembloux berichtete begeistert von Hildegards Liedern, die „durch die Begleitung der schönsten Instrumente“ zur Geltung kamen. Bei allem Reiz, den in klösterlicher Demut vorgetragene reine A-cappella-Aufnahmen ihrer Musik haben, sollte man auch diesen Aspekt nicht vergessen. Das neue Album des Ensembles Hirundo Maris bringt Hildegards großartige Melodien, die das Zeitgefühl auflösen und ins Ewige streben, mit dem überiridisch schönen Gesang Arianna Savalls effektvoll zur Geltung. Die Sängerin hat die Liebe zur mittelalterlichen Musik und das Talent durch ihre berühmten Eltern Jordi Savall und Montserrat Figueras in die Wiege gelegt bekommen! Hirundo Maris setzt die Gesänge aber auch in den Kontext herrlicher Instrumente aller Klangfarben von Fidel, Flöten, Glocken, Lyra und Harfe bis hin zu Santur, Gambe und Nyckelharpa. Und Petter Udland Johansen spinnt in beseelten Instrumentalmeditationen Hildegards Melodien fort. Neben den beiden “Masterminds” sind hervorragende Mitwirkende dabei:  Anke und Andreas Spindler von der Capella Antiqua Bambergensis, der großartige Perkussionist David Mayoral und nicht zu vergessen der klangverliebte Tonmeister Jonas Niederstadt. Die Hingabe an Hildegards Werk wird an einer Stelle für mehr als eine Viertelstunde unterbrochen. Dann wechselt die Stimmung zu einem Klagegesang von Hildegards Zeitgenossen Meister Petrus Abaelardus, besser bekannt als Abaelard: jener Kleriker, der eine unglückselige Liebschaft mit seiner Schuelerin Héloise begann, die er schließlich schwängerte. Dies hatte nicht nur schlimme gesellschaftliche Folgen fuer den klugen Kirchenmann und führte zu Schwangerschaft und Héloises Verbannung ins Kloster, bekanntlicherweise ließ Héloises Onkel und Vormund Fulbert den innig Liebenden durch gedungene Haescher mit dem Messer entmannen. Der Interpretationsansatz von Johansen geht dahin, dass Abaelard seinen persönlichen Schmerz und seine Enttäuschung in diesen Klagegesang gelegt hat. Die Umsetzung nur mit Gesang und Harfe orientiert sich an der zeitlich nahen provenzalischen Trobadormusik und bietet damit einen Kontrast zu Hildegard, der kaum größer sein könnte: unendliche Traurigkeit gegen kosmische Freude. Gerade dadurch wird aber auch deutlich, wie konträr Hildegards Musik zur Kultur ihrer Zeit stand. Die Begegnung dieser beiden Großen der klösterlichen Klänge macht das Album endgültig zum Meisterwerk. (lj)

CD des Monats Oktober 2014
Ensemble Cantilena Antiqua: Joys amors et chants – Berenguer de Palol (Passacaille)
In vergessenen ToenenBerenguer de Palol, auch genannt Berenguer de Palazol oder Berenguer de Palou ist ein Trobador, von dem man eigentlich nur ein Lied im Ohr hat: „Tant m'abelis“, das von nicht wenigen Interpreten aufgegriffen wurde, vor allem von Oni Wytars mit der unvergessenen Marie Lafitte, von Virelai und  Evo und als Kontrafaktur von Trigon (mit mhd. Texte von „Willekomen sî der sumer schoene“ von  Brunwart von Aughem). Ein richtiger Ohrwurm, voll der höfischen Frühlingsfreude: „Freude, Liebe, Gessang, Vergnügen und Ritterlichkeit erquicken mich,“ so heißt es im Text, „da könnte kein Reichtum mich glücklicher machen“. Und tatsächlich, glaubt man seiner Vida, so war er eher ein armer Mann, aber gut durchtrainiert und als Ritter erfahren und geschätzt. Zwölf Lieder von ihm sind erhalten, 10 davon sind auf diesem Album zu hören. Insofern fast schon eine Gesamtüberblick! Er ist ein Zeitgenosse von Richard Löwenherz, Peire Vidal und Reinmar von Hagenau, um nur ein paar Namen zu nennen. Er hat klangschöne, leidenschaftliche Lieder hinterlassen, insofern kann man dem Ensemble um Stefano Albarello nicht genug danken für diese Übersicht. Es geht mit dem „Hit“, dem eingangs erwähnten „Tant m'abellis“ los, doch auch die anderen Melodien haben Charme und Eleganz. Manche ind auch sehr originell wie zum Beispiel „Ab la freca clardat“, dessen Melodik sich jenseits der konventionellen modalen chemata entwickelt. Textlich allerdings geht er auf den üblichen Bahnen: Eine unerreichbare Dame, denen man sein Leben ganz verschreibt, voller Schönheit und Anmut, aber ohne  Entgegenkommen. Selbst wenn die „domna“ ihn ablehnt, ja hasst: Er bleibt treu in ihren Diensten. Neben der treuen Herrin, versichert er in zwei Liedern auch seinem Herrn, dem „Senher Bernart“ Treue und Ergebenheit. Das Instrumentarium mit Flöte, Vielle, Citole, Laute, Psalter und Percussion legt ein sehr ansprechendes Zeitkolorit, die die Altus-Stimme Albarellos geschickt umschmiegt. Gleichwohl hätte ein klein wenig mehr Abwechslung in Klangbild undDynamik, vor allem in der stimmlichen Interpretation, das hervorragende Album noch aufgewertet. (lj)

CD des Monats September 2014
SABINE LUTZENBERGER/NORBERT RODENKIRCHEN
In vergessenen Tönen - Die Sangsprüche Meister Frauenlobs
(Marc Aurel Edition/Raumklang)

In vergessenen ToenenHeinrich von Meißen alias Frauenlob war für seine Zeitgenossen eine unbestrittene Autorität: Meister des geblümten Stiles, Dichter und Komponist ausgedehnter Leiche, Brückenbauer zwischen Minne und Mystik und hochkarätiger Sangspruchdichter. Kein Wunder, dass die Manesse ihn als Lehrmeister der Dichter und Musikanten präsentiert, dass die Meistersänger ihn zu ihren großen Vorbildern zählten und dass von ihm Notenmaterial in ungewöhnlich großem Umfang überliefert ist. Der Bedeutung des Mannes fürs Mittelalter diametral entgegen steht der geringe Anteil von Frauenlob-Werken in der aktuellen Aufführungspraxis, so dass man wirklich fast schon von „vergessenen Tönen“ sprechen kann. Wahrscheinlich ist uns nüchternen Menschen das Frauenlob-Oeuvre doch ein wenig zu „geblümt“, da können wir uns mit Walther oder Neidhart eher identifizieren. Dem Duo Rodenkirchen-Lutzenberger hat es dieser Mann aber angetan: Nach der viel gerühmten „Taugenhort“-Produktion geht es nun weiter mit einem Einblick vor allem in das Sangspruch-Schaffen. Schon der Einstieg überzeugt: „Ich saz uf einer gruene“ stellt den Meister als Beobachter und Denker in die Walther-Tradition. „Mit jungen junc“ zeigt dann, dass Frauenlob in Text und Melodie auch klar und einprägsam sein kann: Halte Maß und wäge ab, was und wo geboten ist! Ganz anders die vieldeutige Minne-Reflektion „Swer minne schilt vil vueren“, eine meiner Lieblingsstellen in Frauenlobs Werk – hier gibt es unendlich viel Interpretationsspielraum, wie der „Wappenschild der Minne“ nun zu führen ist;  man kann sich dabei aber auch einfach an den Worten und Klängen berauschen oder ganz tief in sich hineinhören. Mit Traversflöten, Harfe und Lutzenbergers herrlichem Sopran finden die beiden Musiker stets die angemessene Umsetzung. Frauenlob wird trotz seiner Genialität nicht als Einzelphänomen betrachtet, sondern auch noch in einen Kontext gestellt: Instrumental klingen Zeitgenossen wie die Spruchsänger Der Unverzagte und Der Kanzler an, aber auch der geistliche Hymnen- und Sequenzen-Komponist Adam de St. Victor aus dem 12. Jahrhundert. Seine Musik wird auch den Worten von Meister Eckart unterlegt – der einflussreiche, aber auch umstrittene Theologe und Philosoph wird hier als unerwarteter Geistesverwandter von Frauenlob vorgestellt. Übrigens genau in der Mitte der CD, vielleicht ein Verweis auf die große Rolle, die Spiritualität und Frömmigkeit für Frauenlobs Werk haben! Das letzte Wort hat natürlich Frauenlob selber: Der Sangspruch „Daz ende sagt volkomenheit der dinge“ zeigt auf, wie wichtig es ist, alles zu einem gelungenen Abschluss zu bringen. Das Duo findet zum guten Ende einer auch klanglich betörend schönen CD und setzt dem Liedvortrag als i-Tüpfelchen noch eine nachdenkliche Harfen-Coda hintan. (lj)
>> Die CD ist bei  Minnesang.com erhältlich zum Preis von 15 Euro plus 3 Euro Versand!

CD des Monats August  2014
ENSEMBLE PEREGRINA
Sacer Nidus (Raumklang)

Sacer NidusKurz um die vorletzte Jahrtausendwende, genauer gesagt im Jahr 999, wurde der polnische Märtyrer Adalbert von Prag heilig gesprochen. Der Prager Bischof war ein streitbarer Mann, der nicht nur fleißig missionierte, sondern auch seinen Glauben an christliche Nächstenliebe und Gottes Gerechtigkeit gegenüber geistlichen und weltlichen Widersachern deutlich machte. Das ging so weit, dass er auch einer Ehebrecherin Schutz gegen ihre empörte Verwandtschaft gewährte – diese köpften die Dame aber vor seinen Augen. Aus Enttäuschung über seine unchristlichen Landsleute zog er sich in Kloster Aventin bei Rom zurück, bis er bei einer letzten Missionsreise nahe dem Frischen Haff von einem Prußen erschlagen wurde, der in ihm einen polnischen Spion sah. Adalbert war mit dem jungen Kaiser Otto III. befreundet. Beiden Persönlichkeiten ist dieses Album gewidmet - „Sacer nidus – das heilige Nest“, so nannte man einst die Stadt Gnesen, die zeitweilig als Ruhestätte des verstorbenen Adalberts diente. Peregrina bauen dem bemerkenswerten Mann aber nun ein musikalisches Nest, in dem er für alle Zeiten gut aufgehoben und repräsentiert ist: Sequenzen und Hymnen um sein Leben und seine Zeit, entstanden zwischen dem zehnten und sechzehnten Jahrhundert, Marienlieder, sogar das älteste polnische Lied erklingt. Dazu gehörte viel Forschungs- und Transkriptionsleistung der Ensembleleiterin Agnieszka Budzinska-Bennett: entgegen früherer Übertragungen wurde die teilweise von anderen Vorlagen stammende Melodik der Struktur der Originaltexte sinnvoll angepasst. Die oft einstimmigen Originale wurden oft um eine im mittelalterlichen Stil improvisatorisch entwickelte Mehrstimmigkeit ergänzt. Wie schon bei früheren Glanzlichtern des Ensembles wie „Crux“ und vor allem die wunderbaren „Veiled Desires“ trägt einen der Klang dieser wunderbaren Frauenstimmen davon. Der Instrumentalanteil ist eher spärlich: Neben der Ensembleleiterin auf der romanischen Harfe musiziert nur noch Baptiste Romain – wie immer souverän auf der Vielle, darunter auch mit einigen improvisatorisch weitergesponnenen Originalmelodien zu Ehren des Heiligen Adalbert, aber auch mit reizvoll-sprödem Leierklang. (lj)
>> CD bestellen bei Raumklang.

CD des Monats Juli  2014
EARLY FOLK BAND
Robin Hood – Ballads, Songs and Dances (Ahalani Rec.)

Early Folk Band Robin HoodWas ist eigentlich dran an diesen Geschichten von Robin Hood? Er hat sich tief eingegraben in unsere mittelalterliche Erinnerungswelt als edles Pendant zum ebenso wunderbaren König Richard Löwenherz, Rächer der Witwen, Waisen und Enterbten. Das alles in herrlicher Kameradschaft mit seinen ebenso großmäuligen wie großherzigen Merry Men wie Little John und Friar Tuck,  in reiner Liebe entbrannt zur Maid Marian! Hm, je weiter man zurückgeht in der Geschichte, desto weniger bleibt von diesem anmutigen Bild übrig. In den ganz alten mittelalterlichen Balladen, die seit dem 13. Jahrhundert weitergegeben wurden, ist er ein Outlaw mit Spaß an der Gewalt und ohne die Liebe zur Einen, Reinen im Herzen. Im 16. Jahrhundert wandelte sich mit der Publikation von Balladen-Blättern das Bild: der rohe Robin wurde gezähmt, nobel und großmütig. So wie wir ihn heute noch aus Filmen wie „König der Diebe“ kennen! Mit großer Lust machen sich die Merry Women und Men der Early Folk Band an die überlieferten Lieder um Robin. Die älteste Quelle stammt von 1377, die neueste von 1832. Da wird sehr schön und zu Herzen gehend, aber erfreulicherweise auch rau und humorvoll gesungen. Im Klangbild nähert sich die Band jetzt tatsächlich dem Folk an, lässt die hochvirtuose Gediegenheit der Frühen-Musik-Szene, der die Akteure um Gesine Bänfer und Ian Harrison ja alle entstammen, deutlich hinter sich. Dafür gibt es mehr Emotion, Frische und Wildheit! Ein herrliches Album für alle, die sich gerne in den Sherwood Forest hineinträumen wollen... (lj)
>> CD bestellen unter www.ahalani-records.com


CD des Monats Juni  2014
LEONES
The Cosmopolitan - Songs by Oswald von Wolkenstein (Christophorus)

Leones: The CosmopolitanUm Oswald von Wolkenstein als Kosmopoliten und  welterfahrenen Mann darzustellen, wurde gleich das richtige Eingangsstück gewählt: das siebensprachige „Do frayg amors“, wahrscheinlich beim Konstanzer Konzil entstanden, das in diesem Jahr sein 600-jähriges Jubiläum feiert. Alles, was Rang und Namen hatte im damaligen Europa, fand sich dabei am Bodensee ein, um einen Ausweg aus dem großen Schisma – es gab gleich der drei (!) Päpste - zu finden. Oswald war mittendrin, dazu Musikanten, Sänger und Dichter aus allen Landen, viele Sprachen und Melodien ertönten. Oswald hatte dabei ein offenes Ohr und war kreativ wie nie. Er saugte alles in sich auf und eignete es sich an, um es in eigener Klangsprache mit raffiniertester Wortmalerei wieder neu erstehen zu lassen. Im Jubiläumsjahr huldigen also auch die Leones dem Sänger und größten deutschen Dichter zwischen Vogelweide und Goethe. Inspiriert, geschmackvoll und virtuos geht es dabei zu. Dabei gibt es auch drei mehrstimmige Werke, die erstmals vernünftig editiert wurden: das zurückhaltend in rein instrumentale Lautenklänge gesetzte „Freu dich, du weltlich creatúr“, das herrlich zweistimmig von Els Janssens-Vanmunster und Miriam Andersén gesungene Juwel „Gar wunniklich hat si mein herz besessen“ und „Wol auff, wol an“, das auf besonderen Wunsch von Prof. Dr. Ulrich Müller aufgenommen wurde, der die CD-Produktion noch kurz vor seinem Tod begleitet hatte: Als A-cappella-Chorstück erklingt das hocherotische Frühlingslied, bei dem die Pfifferlinge kräftig emporschießen dürfen, dass es dem Blümlein unterm Strauch eine wahre Lust ist! Mit dem  „Nu rue mit sorgen“, dem „gút geboren edel mann“ (instrumental von Liane Ehlich herrlich auf der Traversflöte intoniert), und „Wol auff, wir wellen slauffen“ sind auch drei Oswald-Standards zu hören, freilich auch diese in Leon'scher Eigenart dezent dargeboten. Wie schon bei Neidhart gelingt dem Ensemble ein feinsinniger Gegenpol zur gängigen raubeinigen Interpretationsweise des Oswaldschen Oeuvres. Ein Wermuthstropfen sei den Freunden des „Kosmopoltien“ trotzdem ins Glas gegeben: Sein mit Gassenhauer-Melodik unterlegtes Hetzlied gegen Jan Hus, das er in Konstanz ebenfalls zu Gehör brachte, war geistige Brandstiftung im wahrsten Sinne des Wortes, es trug seinen Teil dazu bei, den frühen Reformator aus Böhmen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Die Leones haben uns dieses Lied erspart, solch bösartig-brutaler Sang gehört aber leider zum Gesamtbild des Genies, Genussmenschen und Egomanen Oswald hinzu. (lj)

CD des Monats Mai 2014
ENSEMBLE NU:N
Estampie (Raumklang)

Ensemble Nu:n: EstampieDie acht Estampien (vier mit dem Zusatztitel „Royal“, vier mit „Real“) gelten als die ältesten Werke der Instrumentalmusik. Sie stammen aus dem „Manuscrit du Roi“ (13. Jh.), wo sie neben französischen Trobadorliedern als einzige Instrumentals stehen, von der Struktur her auch völlig unterschiedlich zu den Vokalstücken. Es sind höfische Tänze – jeder von ihnen besteht aus vier bis sieben strophenartigen Teilen, die jeweils erst in einen offenen Schluss („ouvert“) münden und bei der Wiederholung mit dem „clos“ abgeschlossen werden. Eine reizvolle, im ersten Moment irritierende Form, die aber bei späterem Hören logisch erscheint. Für das Ensemble Nu:n, das sich mit modernen Instrumenten der frühen Musik auf kreative Weise zuwendet, sind die Estampien so etwas wie das „Real Book“ des Mittelalters: Standards, die allen Spielleuten bekannt waren und von ihnen auf den unterschiedlichsten Instrumenten wiedergegeben, ausgeschmückt und nach dem eigenen Geschmack ergänzt wurden. Und so halten es auch Falk Zenker (spanische Gitarre), Gert Anklam (Sopran- und Baritonsaxophon) und Nora Thiele (Rahmentrommel plus ein großes Arsenal von Percussion aus aller Welt). Mal sind sie der mittelalterlichen Klangwelt noch ganz nah, dann wieder ziehen sie die Melodien und Motive durch die Musik- und Weltgeschichte, das man sie nur mit Mühe noch erkennt. Jazzige Harmonien, folkige Farben verschiedenster Herkunft, romantische Schwelgereien und vertrackte Rhythmen – die alten „Standards“ bieten solch hochkarätigen Musikern Stoff für schier endlose Klangreisen. Diese enden auch nach Abschalten des CD-Players nicht, sondern setzen sich im Kopf des Hörers fort. (lj)

CD des Monats April 2014
REINHOLD WIEDENMANN & OSVALDO PARISI
Titurel - Wolfram von Eschenbach (Koch/Schwann)

Reinold Wiedenmann - titurelDer klassisch ausgebildete Sänger Reinhard Wiedenmann und der brillante Lautenist Osvaldo Pariso haben 1996 Wolfram von Eschenbachs "Titurel"-Fragment aufgeführt und auf CD gebracht. Wie bei so vielen musikalischen Umsetzungen mittelalterlicher Werke hatte der inzwischen verstorbene Salzburger Germanist Ulrich Müller dabei seine Hand mit im Spiel. Wolfram von Eschenbachs "Titurel"-Fragment führt zu Unrecht eine Nischenexistenz neben dem "Parrzival". Dabei ist die Geschichte des Liebespaares Sigune und Schionatulander hohe, tieftraurige Minne, ebenfalls angesiedelt im Dunstkreis der Gralsritter. Sigune, Urenkelin des Grals-Stammvaters Titurel, ist fasziniert von einer Liebesgeschichte, die sie auf einer langen, mit Edelstein besetzten Leine eines Jagdhundes liest. Doch der Hund entwischt, ihr Verehrer Schionutulander erhält nun von ihr den Auftrag, die Leine herbeizuschaffen - dann würde sie ihn erhören! Das Ende ist schon aus dem Parzival bekannt: Der Liebste stirbt bei Erfüllung des Herzenswunsches, weil er dabei den falschen Leuten in die Quere kommt. Aus großer Trauer lässt sie sich gemeinsam mit dem verstorbenen Geliebten einmauern. Was vorher genau geschah, lässt Wolfram offen: Albrecht von Scharfenberg hat das Fragment um 1260 zu einem umfangreichen Epos ausgearbeitet, doppelt so lang wie der Parzival. Erfreulich ist, dass zum "Titurel" eine Melodie überliefert ist, zudem einer der schönsten Töne des Mittelalters. In ihm hat übrigens auch Hadamar von Laber Anfang des 14. Jahrhunderts seine Jagd-Allegorie verfasst, die in gewisser Weise an die Jagdhundgeschichte anknüpft. Die Umsetzung des "Titurel" auf der vorliegenden CD ist trotz der stets wiederholten Grundmelodie abwechslungsreich und spannend: Wiedenmann zeigt, wie die Epiker mit dem Ton umgegangen sein können - dieser bildet das Grundgerüst, das in Tempo, Diktion und Singweise variiert wird, ergänzt um Sprechgesang und deklamatorische Teile, auch spontane Einfälle, oder die Überführung der Melodik in orientalische Modi sind sinnvoll, wo sie die dramatische Aussage unterstützen. Und Pariso sitzt mit offenem Ohr daneben, folgt allen Wendungen des Sängers spielerisch und setzt ab und zu seine eigenen virtuosen oder lautmalerischen Glanzlichter. Puristen haben eingewendet, dass man Gesangs- und Spieltechniken späterer Zeiten deutlich durchhört. Das mag sein, aber dafür wurde eine schlüssige Gesamtumsetzung auf dem Hintergrund des Horizonts der beteiligten Musiker gefunden, die uns die doch recht ferne Geschichte nahe bringt. Die CD ist nur noch antiquarisch zu bekommen, die Suche lohnt sich jedoch! (lj)

CD des Monats März 2014
VOCAME
Inspiration - Hildegard von Bingen (Berlin Classics)

VocaMe - InspirationDrei Dinge verblüffen an der Musik Hildegards von Bingen: der Umfang ihrer Überlieferung, die Originalität und Singularität ihrer Gesänge sowie ihr hoher Wiedererkennungswert. Michael Popp, männlicher Leiter und Begleiter des Frauenensembles VocaMe, fasst das in die Worte: „Wie aus dem Nichts schien diese Musik aufzutauchen und wieder zu verschwinden“. Zwischenzeitlich allerdings erhebt sie uns zum Himmel empor, ist gleichzeitig „Inspiration“ und Ahnung vom Göttlichen und damit das deutlichste Zeugnis von Hildegards Visionen, fern aller abstrakten Beschreibungen mit den Mitteln der Sprache, direkt erfahrbar. Eine Musik, die das Zeitgefühl aufhebt, die den Hörer selbst zum Teil des Ewigen macht. Mit großer Ruhe, Eindringlichkeit und Intensität geben sich die vier erstklassigen Sängerinnen Sigrid Hausen, Sarah M. Newman, Petra Noskaiová und Gerlinde Sämann in diese Musik hinein, werden Teil von ihr. Arrangeur Popp, bekannt von Estampie, Qntal und dem Al Andaluz Project, setzt nicht nur auf die Einstimmigkeit der Überlieferung, bietet zwischendurch auch Parallelführung der Stimmen in Quinten und Quarten zu Liegetönen und erzeugt dabei auch schon mal eine hymnische Dichte. Doch es sind vor allem dann wieder die Unisono-Passagen dieser merkwürdig betörenden Melodien ohne Anfang und Ende, die einen davontragen ins Irgendetwas, das „etwas Besseres als hier“ ist. (lj)
> Vortrag von Dr. Lothar Jahn zum Thema "Hildegard von Bingen - Eine Heilige für unsere Zeit?" am Dienstag, 11.3., Volkschochschule Kassel, Wilhelmshöher Allee 19 - 21, Raum 304, Eintritt: 5 Euro!

CD des Monats Februar 2014
FLOR ENVERSA
Blacatz de Proensa (Enversa)

Flor Enversa - Blacatz de ProensaDas Trio Flor Enversa, bekannt für Trobador-Musik in intimer, verinnerlichter Interpretation, wendet sich auf seinem neuen Album einen Trobador zu, der den Beinamen „Der große Krieger“ trägt. Laut seiner Vida liebte er die Frauen und die Galanterie, den Krieg und die opulenten lauten Feste. Kurzum: Er war ein wilder Haudegen und Draufgänger und damit das glatte Gegenteil dieser friedvollen Musikanten, die 2009 auf dem Europäischen Minnesang Festival im Braunschweiger Dom ihr Publikum aufs Anmutigste betörten. Doch Blacatz de Proensa schrieb nicht nur selbst ganz leidlich Lieder wie damals so macher Fürst, der um Anerkennung buhlte. Er war vor allem, und das ist sein eigentliches Verdienst, wie Landgraf Hermann von Thüringen, die Stauferkaiser und die Herren von Aquitanien auch ein großer Förderer der Sangseskunst. Auch hochkarätigere Sängerdichter wie Cadenet, Raimbaut de Vaqueiras, Guy de Cavaillon, Albertet de Sisteron, Folquet de Romans, Sordel, Peire Vidal und Peirol standen in seiner Gunst und sind auf dem Album ebenfalls zu höre. Für ihn spricht auch, dass er das Talent seines Sohnes förderte, der Trobador Blacasset. Das hier aufgenommene Lied deutet darauf hin, dass dieser ihn an Talent übertraf. Dank Domitille Vigneron, Fidelvirtuosin und Sängerin, sind auch zwei Trobairitz auf dem Album präsent: Na Tibors de Sarenom und die Comtesse de Provence Garsenda de Forcalquier. Auch das Spiel von Olivier Ferraud auf den diversen selbst gebauten Saiteninstrumenten und der zurückhaltend schöne Gesang Thierry Cornillans sind wieder hörenswert.  Insgesamt bieten die Hüter des Erbes der provenzalischen Musik wieder eine hochinspirierte Reise in die großen Tage der Trobadorkunst! (lj

CD des Monats Januar 2014
TANDARADEY
Haimlich und überlaut (STP Records)

La MouvanceErstaunlich, aber ein wahres Kleinod der Minnesang-Interpretation ist mir erst sehr spät begegnet. Die Rede ist vom Österreicher Ensemble Tandaradey um Manfred Hartl, nicht zu verwechseln mit dem deutschen Conventus Tandaradey. Das Ensemble widmet sich inzwischen unter dem Namen „Die Tandler“ der Musik ab 1600, das „Duo Tandaradey“ mit Hartl und Michael Vereno greift aber das hier eingespielte Repertoire auf. Das Album „haimlich und überlaut“ widmet sich vor allem Neidhart "von Reuental" und seinen Nacheiferern im 14. Jahrhundert. Die Arrangements sind einfach und kraftvoll, aber trotzdem künstlerisch und durchdacht gehalten, mit ebenso viel Sachkenntnis wie Augenzwinkern dargeboten. Das ganze wirkt sehr direkt, was auch an der Aufnahmetechnik liegt, die im Gegensatz zur Mittelalterkonvention verhallter Klöster und Kapellen auf Nähe zum Mikrophon setzt. Neben Neidhart taucht auch der Mönch von Salzburg immer wieder auf, der mit seinen nicht nur vom göttlichen Licht, sondern auch von allerlei weltlichen Freuden durchdrungenen Gesängen einen guten Gegenpol zu Neidharts Missgeschicken liefert. Schließlich, als Ersteinspielung, zwei Marienlieder der Geißler aus den schlimmen Pestzeiten um 1350: Sie bitten die Gottesmutter um Rettung vor der bösen Seuche. Das Neidhartrepertoire bietet neben einigen Klassikern wie den Heiden-Zwiegesang der Gespielinnen, „Meie din“ und das opulente Fresslied auch Perlen, denen man viel zu selten auf CD begegnet: Das umwerfend komische „Neidhart im Vas“, den Mutter-Tochter-Wechsel „Tochter spin den rocken“ (melodisch noch interessanter als das thematisch ähnliche „Blozen“) und das Winterlied „Der schlitt“. Vom Mönchen sticht vor allem das Minnelied „Ich han in ainem garten gesehen“ ins Ohr. Als Ergänzung begeistert ein Booklet in Form eines Bilderbüchleins des 2009 verstorbenen Künstlers Christian Schwetz, der auf dem Album auch mit Laute und Flöte präsent ist: Zu jedem Lied gibt es eine Illustration nach alten Holzschnitten und einen kleinen Text, der den Inhalt zusammenfasst. (lj)
>> CD bestellen bei Tandaradey.

CD des Monats Dezember 2013
LA MOUVANCE
Ave Meres Sterne (Zweitausendeins)

La MouvanceDas Weihnachts-Album für den Freund zurückhaltender früher Musik ist erschienen: "Ave meres sterne" des jungen Frauen-Duos "La Mouvance" bietet Weihnachtliches und Adventliches vor allem aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Zu hören sind aber keine Klassiker wie „Es kumpt ein schiff“ oder „Joseph, lieber Joseph“, sondern die Ergebnisse akribischer Forschungsarbeit, wobei auch der Fachmann viel Neues entdecken kann. Neben Johannes Roullet, Oswald von Wolkenstein und dem Mönchen von Salzburg, von dem auch der merkwürdige Titel – eine Eindeutschung von Ave Stella Maris - stammt, sind viele anonym überlieferte Stücke zu hören. Das von Chistine Mothes a cappella vorgetragene „Von den angeli der sun auffgang“ beeindruckt dabei durch zeitlose Schönheit. Frau Mothes prägt mit ihrem zurückgenommenen, in allen Lagen ausgeglichenen und sauberen Gesang das Klangbild, Karen Marit Ehlig umschmeichelt mit ihrer Vielle fantasievoll die Melodien mit Liegetönen, Imitationen und improvisatorischen Ergänzungen. Als Gäste hat man sich Ulrike Wolf an der Traversflöte und den zur Zeit omnipräsenten Marc Lewon an Laute, Quinterne und zweiter Vielle geholt. Beide bereichern durch neue Farben und stilsichere Darbietungen das Klangbild. Es gelingt dem Ensemble, im Kirchenhall eine von Geistigkeit durchdrungene, weltentrückte Atmosphäre zu schaffen. Vor allem bei dem fast dreizehnminütigen „Maria, keusch muter zart“ des Mönchen vergisst man Zeit und Raum.  Fast am Ende blitzt dann in Klangmeer etwas Bekanntes auf, eine Melodie, die man von Oswalds vom zupackend-erotischen Lied „Ain tunckle farb“ kennt. Er hat in diesem Ton nämlich auch ein weihnachtliches Lied gedichtet, „In suria ain braiten hall“: Christi Geburt wird dabei als großer Tumult geschildert, bei dem der Teufel vor Wut einen Krater in eine Mauer sprengt, den Oswald selbst gesehen haben will. Erzählung und Sprache sind sehr kraftvoll und originell gehalten, hier haben die Musikerinnen die Gelegenheit verpasst, in der Diktion aus ihrer insgesamt etwas zu gleichförmigen Interpretationsweise herauszutreten. Wunderbar geraten ist dann aber der Schluss: Ins freudvolle „Puer nobis nascitur“ mit seiner eingängigen Melodie und einem angedeuteten tänzerischen Impus möchte man sofort mit einstimmen.  (lj) 

CD des Monats November 2013
ARIANNA SAVALL, PETTER UDLAND JOHANSEN, PAUL MAAR U.A.
Das Wittelsbacher Hörbuch (CAB Records)

Wittelsbacher HörbuchEinen Rundumschlag durch die (Musik-)Geschichte bietet das „Wittelsbacher Hörbuch“ aus der Werkstatt der Capella Antiqua Bambergensis. CAB-Records knüpfen dabei an die erfolgreiche „Codex-Manesse“-Produktion an, die ebenfalls Musik mit historischer Hintergrundinformation verband. Diesmal reicht das Repertoire von Hildegard von Bingen und Oswald von Wolkenstein über Orlando die Lasso und Andreas Hammerschmidt bis hin zu Ludwig van Beethoven. Die Zusammenstellung legitimiert sich ausschließlich durch die Förderung der Komponisten durch die kunstsinnigen Mäzene des Wittelsbacher Geschlechts, das sich seine Repräsentation vom Mittelalter über Renaissance und Barock bis hin zur Romantik viel kosten ließ. Der höfische Glanz ist omnipräsent, vor allem in der nur als edel zu bezeichnenden Aufnahmequalität der Musik aus dem capella-eigenen Schloss Wernsdorf. Die Klangästhetik des Ganzen inklusive des feinsinnigen Gesangsstils von Arianna Savall und Petter Udland Johansen passt am besten zu den Renaissance-Stücken: Ludwig Senfl, Heinrich Isaac und Orlando di Lasso sind im Schloss-Ambiente wunderbar aufgehoben. Den Carmina-Burana-Stücken, aber auch dem Wolkensteiner hätte etwas vagantische Rauheit, der Hildegard mehr klösterliche Demut gutgetan.  Zum Hinhören lädt dagegen „Gaitas“ von Diego Fernandez de Huete (1635 – 1713) ein, solche Musik hört man selten mit Dudelsack und den herrlich tiefen Trommeln. Geradezu himmlisch klingen auch die Glocken, die Hildegard von Bingens „O quam mirabilis“ einleiten. Sehr irdisch klingt dagegen die Neuvertonung von Eichendorffs Wittelsbacher-Hymne „Adler“ durch Johansen, die das Album beschließt. Schmerzlich vermisst man Richard Wagner, zu dem der Wittelsbacher „Kini“ Ludwig II. doch eine geradezu abgöttische Liebe empfand, die er durch großzügigste Förderung ausdrückte. Neben der reinen Musik-CD gibt es eine Hörbuch-CD, gesprochen durch den stets sonoren TV-Moderator Gunther Schoß und Textautor Paul („Sams“) Maar. Sie erinnert stark an einen Museums-Audio-Guide, der Bildungsanspruch ist fast schon penetrant spürbar. Es wäre zudem sinnvoll gewesen, auch die Sprecher nach Wernsdorf einzuladen, die extrem  unterschiedliche Akustik von Musik und Sprache stört. Bei aller Hochachtung für die Wittelsbacher Sponsorentätigkeit übertreibt das Album die Huldigung des Adelsgeschlechts, dem wir anscheinend die gesamte abendländische Musikgeschichte zu verdanken haben. Das reicht soweit, dass das Booklet durch ein „Geleitwort seiner königlichen Hoheit Herzog Franz von Bayern“ geziert wird.  Hatten wir nicht die Monarchie überwunden? (lj)

CD des Monats Oktober 2013
TRIGON
Vil lieber grüsse süsse (Conditura)

Trigon - Vil lieber grüsseSeit Jahren wartet die Minnesang-Gemeinde auf ein Soloalbum von Holger Schäfer, dem vielfach preisgekrönten Interpreten des Minnesangs, der uns diese Musikform auf eine zeitlose und gleichzeitig intime Weise nahebringt, so dass die Jahrhundertedistanz überwunden scheint. Doch man muss wohl noch weiter warten! Dieses Album vom Ensemble Trigon, in dem Holger Schäfer seit Jahren aktiv ist, ist jedoch geeignet, einem die Wartezeit zu versüßen. Der Minnesang wird jedoch nur gestreift: Brunwart von Aughems „Willekomen“ und Oswald von Wolkenstein süße Grüße sind zu hören, dazu herrlich traurige mittelalterliche Lieder aus Norwegen und Schweden. Das erstaunlich folkloristische Repertoire, das das eigentlich als Barock-Ensemble bekannte Trio Trigon hier präsentiert, wandert weiter durch die Jahrhunderte, setzt neben Skandinavien auch Schwerpunkte in Irland und beim britischen Dancing Master John Playford, um schließlich bei einem romantisierend-schwelgerischen Abendlied von Peter Michael Riehm (1947 – 2007) anzukommen. Schäfers Qualitäten als Harfenspieler und Sänger kommen gut zur Geltung, doch stets wird er musikalisch aufs Lieblichste umschmeichelt von den beiden Flötistinnen Katrin Krauß und Kerstin de Witt, deren makellose Zweistimmigkeit sich oft so vermischt, als spiele nur ein einziges Instrument. Verblüffend ist, dass die fast keusch zu nennende Reinheit des Klangs sich auch öffnet für die zupackende Direktheit des Irish Folk. Tatsächlich ist der irische Part in der Mitte des Albums der stärkste: Hier greifen die Damen zu Tin Whistle (Krauß) und Fiddle (de Witt) und legen richtig los, so dass sogar ein hoch- und runtergedudeltes Werk wie „Eleanor Plunkett“ von O'Carolan frisch und neu klingt. (lj)

CD des Monats September 2013
ENSEMBLE DULCE MELOS
Das Glogauer Liederbuch
(Naxos)
Dulce Melos Glogauer LiederbuchDas Glogauer Liederbuch ist ein frühes Dokument der Hausmusik – diese wurde wahrscheinlich zunächst im klösterlichen Rahmen betrieben. In der Domschule Glogau und dem Augustinerstift Zagan vermutet man den Ursprung des Werkes. In drei Stimmbüchern überliefert, markiert das Buch den nun auch beim musikalischen Laien angekommenen Wendepunkt von der nach dem Gehör begleiteten Musik zum Blattspiel, von der einstimmigen zur mehrstimmigen Liedbegleitung. Die Ende des 15. Jahrhunderts entstandene Sammlung aus Schlesien (Glogau liegt 100 km nordwestlich von Breslau) enthält fast 300 Lieder und Tänze. Eine bunte Mischung aus weltlichen und geistlichen Themen wird angesprochen: Es fehlt eine strenge thematische Ordnung, die Zusammenstellung wirkt eher assoziativ. Die Lieder, die aus vielen Ländern von Sachsen über Frankreich, England und Italien bis his nach Böhmen oder Polens stammen, sind oft sehr kurz und in dreistimmigen Sätzen notiert, die deutlich machen, dass die Musikgeschichte nun schon deutliche Schritte in Richung Funktionsharmonik gegangen ist. Nicht selten gibt es unterschiedliche Sätze oder Texte zum selben Lied. Marc Lewon hat für das Ensemble Dulce Melos bei seiner CD-Einspielung deshalb musikalisch Zusammengehöriges zu kleinen Suiten zusammengefasst. Die ausgedehnteste davon beschäftigt sich mit dem offenbar höchst populären Stück „O rosa bella“, ursprünglich eine italienische Ballade von Leonardo Giustiniani in der Vertonung von John Bedyngham (ca. 1440). Die schöne Rose wird gleich in acht Varianten aufgeblättert, neben den Glogauer Versionen bringt die Suite auch Varianten aus dem Buxheimer Orgelbuch, dem „Chansonnier Cordiforme“ und dem „Trent Codex 89“. Lewon, der auch an der Laute zu hören ist, gelingt eine ebenso klangfarbenreiche wie kunstvolle Umsetzung der Liedersammlung, wozu auch die hervorragenden Vokalsolisten Sabine Lutzenberger und Martin Hummel und der Viola-Maestro Uri Smilansky beitragen. Die schöne Einspielung ist sehr weit vom Liebhabermusizieren entfernt, dem das Buch ursprünglich einmal diente. Schade ist nur, dass in der CD-Laufzeit nur ein kleiner repräsentativer Querschnitt des Liederbuches präsentiert werden kann – dieser macht neugierig auf mehr! (lj)

CD des Monats August 2013
ENSEMBLE PEREGRINA
Cantrix
(Raumklang)
Peregrina - CantrixLässt die Hohe Minne uns im Stich, so bleibt immer noch die Gottesminne. Wenn diese so schön gesungen aus dem CD-Player klingt, wollen wir uns gerne in andächtige Demut flüchten! Das Frauen-Ensemble Peregrina um Agnieszka Budzińska-Bennett widmet sich dem prophetischen Jesus-Vorgänger Johannes dem Täufer. Eine Quelle der hier erklingenden Musik ist das Kloster Sigena des Ordens des Heiligen Johannes von Jerusalem mit einstimmigen liturgischen Stücken. Diesen stellt Peregrina die raffiniert gesetzte frühe Mehrstimmigkeit aus dem Zisterzienserinnen-Kloster Las Huelgas entgegen. Ein reizvoller Kontrast verschiedener Kompositionsweisen, Denkansätze und Liturgien wird deutlich. Die klösterliche Welt vom 12. bis zum 15. Jahrhundert erstrahlt in ihren unterschiedlichen Facetten. Abgerundet wird die in bester Tonqualität und mit hohem musikalischen Anspruch umgesetzte Huldigung an die Schwestern aus Sigena und Las Huelgas überraschenderweise dann doch noch durch ein Minnelied: Der Trobador Peire Vidal lässt sein sein tieftrauriges, zärtliches  "S'ieu fos en cort" erklingen in der Mitte des Albums, dazu wurde als Gast ein männlicher Sänger eingeladen: Mathias Spoery. Das Stück wurde ausgewählt, da es in der Schluss-Strophe des Liedes die Königin Sancha von Kastilien (ca. 1154 bis 1208) preist, sie ist eine der Gründerinnen des Frauenklosters Sigena.  Das nur von Baptiste Romain stimmungsvoll auf der Vielle begleitete Trobadorlied wird gefolgt von einer schwungvoll interpretierten Estampie von Rostainh de Marselha, bis dann wieder die betörend schönen Frauenstimmen zur Johannespreisung zurückkehren. (lj)
>> CD bestellen bei Raumklang.

CD des Monats Juli 2013
ENSEMBLE LABYRINTHUS
Carmina Helvetica
(Raumklang)
Carmina HelveticaDass in der Kirche getanzt werden durfte, passte auch schon im 13. Jahrhundert vielen Klerikern nicht, aber die alte Sitte aus vorchristlicher Zeit hielt sich trotzdem lange – insbesondere zu Ostern und Pfingsten lebten die bekannten Bräuche auf und sorgten für Freude unter den Frommen. Das Ensemble Labyrithus widmet sich diesen Tänzen, den „Rondelli“ des 12. - 14. Jh., auf einem sehr ansprechenden neuen Album mit dem Titel „Carmina Helvetica“. Tänze und Gesänge aus Schweizer Klöstern und Bibliotheken werden zum Klingen gebracht, ein nicht unbeträchtlicher Teil der dort lagernden Werke sind sogar Unikate. Die im Titel ausgedrückte Nähe zu den „Carmina Burana“ ist nicht zufällig: Zum einen sind die beiden einzigen namentlich überlieferten Autoren Walther von Chatillon und Philipp, der Kanzler, die ja auch im Benediktbeurer Kontext auftauchen. Zum anderen sind die Rondelli oft sehr spielmännisch und zupackend in der Klangsprache und stehen der Musik der Vaganten und Scholaren näher als der typischen geistlichen Musik ihrer Zeit. Diese findet auf dem Album aber auch ihren Platz durch herrliche Conducti in Notre-Dame-Tradition. Musiziert wird innig und selbstvergessen, man scheut auch keine improvisatorischen Einschübe und bezieht deutlich Position gegen die reine A-cappella-Kirchenmusik. Dies auch im Booklet mit deutlichen Belegen für instrumental begleitete geistliche Musik im Hohen Mittelalter. Das Moskauer Ensemble ist auf alle Fälle eine Bereicherung für die Mittelaltermusikszene. Die auch klanglich höchst ansprechende Aufnahme entstand in der Kirche St. Nikolaus (Kotelniki/Moskau). (lj)
>> CD bestellen bei Raumklang.

CD des Monats Juni 2013
HOLGER SCHÄFER u.a.
Der Sängerkrieg auf der Wartburg
(Dingo Musik und Theater e.V.)
SängerkriegDie vorliegende CD enthält die Grimmsche Fassung des Sängerkriegs aus dem Buch "Deutsche Sagen" (bis zum Empfang Klingsors durch den Landgrafen Hermann) und eine, auf der Grimmschen Fassung und ihren mittelalterlichen Vorlagen basierende, ausführliche Ausschmückung der Geschichte. Erzähler ist Holger Schäfer, der sich dem Sängerkrieg schon bei vielen Auftritten ausführlich gewidmet hat. Neben den sehr stimmungsvoll erzählten Passagen stehen Lieder der Protagonisten des Sängerkriegs - Wolfram von Eschenbach ist mit "Sigunes Klage" vertreten (gesungen von Schäfer selbst) , Walther von der Vogelweide mit einer neuhochdeutschen Fassung von "Muget ir schouwen" (Reinhold Schmidt), Reinmar mit diversen schmerzvollen Klageliedern (Jochen Faulhammer). Der grimme Bitterolf wird mit Walthers Lied vom Unkraut aus dem Atze-Zyklus treffend charakterisiert (Hans Hegner). Der Rebell Heinrich von Ofterdingen (Malte Lange) stimmt sein Fürstenlob auf den Babenberger Herzog Leopold im Thüringer Herrenton an, wie er in der Jenaer Handschrift überliefert ist.  Klingsor (Knud Seckel) stellt sich als versierter Meistersänger seiner Zeit  mit Minne-Klassikern wie Kriemhilds Falkentraum und dem Lerchenlied Ventadorns vor. Seine Vision von der Geburt der Heiligen Elisabeth frei nach Dietrich von Apolda erklingt als Chorgesang zur Melodie des Schwarzen Tones in der eingängigen Kolmarer Fassung.  Ebenfalls aus der Kolmarer Handschrift stammt die einzige überlieferte Melodie, die dem Tugendhaften Schreiber zugewiesen wird: Seine reizende "Grußweise" ist ein echtes Kleinod. Es wird hier von Holger Schäfer auf der Traversflöte vorgestellt, dazu zwitschern die Nachtigallen. Alles in allem ein guter musikalisch-textlicher Einstieg ins hochkomplexe Thema. (gl)
> Die CD gibt's für 15 Euro plus 3 Euro Versand bei Minnesang.com.

CD des Monats Mai 2013
LES DERNIERS TROUVÈRES
Retours en Forêt - Back To The Forests 
(Des Chansons Sur Mesure)
Retours en foretNaturverbunden, lebensfroh, farbenprächtig und ein wenig versponnen - so lieben wir sie, die Derniers Trouvères. Diesmal rufen sie uns nicht dazu auf, die Schönheit von Schlössern oder Klöstern zu genießen, sondern sie locken uns hinein in die Wälder.  "Zurück in den Wald" ist nun ihr Motto, das sie auf diesem Album erstmals zweisprachig zelebrieren. Einige Lieder sind nämlich in englischer Sprache gehalten, doch auch die haben einen entzückenden französischen Akzent. Es geht darum, das Gespräch mit den Bäumen wieder aufzunehmen, ins satte Grün einzutauchen und die Schönheiten hinter der virtuellen und industriellen Welt wieder wirken zu lassen. Dabei kommen auch die alten Druiden wieder zum Zuge und auch die Barden dürfen einstimmen. Sogar ein Löwe und ein Einhorn kommen vorbei, doch alles kein Grund zur Sorge: Die Sehnsucht nach dem kraftvoll erfüllten Leben scheint durch alle Lieder und Geschichten hindurch. Dass sich die Kraft überträgt, machen die schönen Stimmen - vor allem im Chorgesang - und der gut aufeinander abgestimmte Klang der Instrumente. Die stets ansprechenden, folkloristisch angehauchten Melodien der Lieder stammen von Isline Dhun und Florian Lacour. Das schönste Lied aber wurde auch von der schillerndsten der Paradiesblumen Marie Milliflore selbst beigesteuert: Auf englisch und französisch wird die explosive Kraft des Mayen gepriesen und die "Vireurs" zum Tanze gerufen. Da möchte man gleich einstimmen, mitspielen und tanzen! Jetzt muss die Sonne aber kommen!  (lj)

CD des Monats  April 2013
EVO
Eva (Song Surfer/Cargo Records)
La FolliaKeine Frage, diese Gruppe aus Spanien ist die große Hoffnung am Mittelalter-Himmel: Evos großartige Live-Version von Jauffre Rudels „Lanquan li jorn“, dem unsterblichen Lied über seine „Lieb so fern“ stand, bezauberte mich schon vor zwei Jahren bei Youtube. Nun gibt es also auch ein Album, das ganz dem Sang der Trobadors gewidmet ist. „Lanquan li jorn“ wird dabei noch weiter verfremdet, die sphärischen Flächen im Hintergrund – laut Booklet von Efrén Lopez Sanz mit Drehleiern produziert – könnten auch aus der Synthie-Werkstatt von Pink Floyd kommen, doch mit einem herrlich inspirierten Oud-Solo erdet Sanz das ganze wieder. Er ist Mastermind des Ensembles, das sich selbst als „Band“ bezeichnet, seine unerschöpfliche klangliche Fantasie prägt das Album, Miriam Encinas Lafitte und Laia Puig Olives begeben sich mit Flöten, Dudelsack und divesem Schlagwerk mit Wonne in diese Klangwelt hinein.  Doch das ist nur die halbe Miete: Der Sound von Evo wird vor allem durch die ebenso sanfte wie raue, ebenso elegische wie erdgebundene Stimme des Sängers Iván Lopez Sanz geprägt. Er kommt aus der Rockszene und kam bei Evo erstmals überhaupt mit mittelalterlicher Musik in Kontakt. Das ermöglicht einen unbefangenen Zugang und ungewohnte Stimmfärbungen. Manchmal stellt er auch seine weiblichen Anteile in den Vordergrund stellt, bei Raimon de Miravals „Bel m'es qu'ieu“ singt er wie einstmals Freddy Mercury gar mit sich selbst im Chor. Man sieht, das ganze hat trotz der Verwendung eines großen Arsenals alter Instrumente  nichts mit der puristischen Kälte vermeintlich authentischen Musizierens zu tun. Auch in puncto Aufnahmetechnik werden alle Register gezogen, wenn's nötig ist, dann fährt man wieder zurück bis kurz vor der Hörbarkeitgrenze. Doch egal, ob laut, ob leise:  das Musizieren ist aber immer von Leidenschaft und Intensität geprägt. Und egal, ob die Arrangements modern oder historisch klingen, immer ist der große Respekt vor der Musik der Trobadors spürbar. Das Projekt ist übrigens Miriams Mutter Maria Lafitte gewidmet, der 2008 viel zu früh verstorbenen Sängerin von Folklore und Trobadormusik, die u.a. mit Oni Wytars zu hören war. Ein wenig von ihrem Geist lebt und entwickelt sich in der Musik von Evo weiter. (lj)
> Live-Version von Lanquan li jorn bei Youtube.
> CD bestellen bei Amazon.


CD des Monats  März 2013
ONI WYTARS
La Follia (Deutsche Harmonia Mundi)
La FolliaNarren und Kinder sagen die Wahrheit, der Hofnarr hatte sogar als einziger im Umkreis des Königs das Recht dazu und in Russland wurden über die Jahrhunderte die Gottesnarren als geradezu heilige Figuren im öffentlichen Leben geduldet und unterstützt. Insofern ist es eine großartige Idee dem "Triumph der Narren" ein ganzes Album zu widmen. Das bei aller Akribie der musikalischen Mittel stets innovative und kreative Ensemble Oni Wytars um den lebensfrohen Marco Ambrosini, selbst ein liebenswerter Narr im besten Sinne, gibt sich ganz der Narretei hin. Alle 19 Tracks tragen die „Follia“ im Titel: Dies ist eine Kompositionsform, die mit der Renaissance aufkam und sich dadurch auszeichnet, dass jede Variation noch verrückter sein soll als die vorhergehende. Damit die fröhlich-närrische Spielerei noch Musik bleibt und nicht in Dilettantismus oder, noch schlimmer, stumpfsinnigen Frohsinn abgleitet, ist höchste Virtuosität und sichere Handhabung der Instrumente ein Muss. Dazu hat Ambrosini wieder ein hochkarätiges Ensemble zusammengestellt – ein gutes Dutzend Musiker sind am Start, neben alten Bekannten wie der auf den Punkt trommelnden Katharina Dustmann, dem Sänger und Saitenkünstler Peter Rabanser und der stimmgewaltigen Belinda Sykes auch Jule Bauer von Triskilian, Michael Posch von Unicorn, Su Ehlers von Haggard und Ian Harrison von Les Haulz et les Baz. Mit einem umwerfend abwechslungsreichen Instrumentarium bekannter und abseitiger historischer Instrumente widmet man sich den Werken von Falconieri bis Vivaldi, von Ortiz bis Valderrábano und schummelt auch ein paar Eigenkompositionen  den Meisterstücken auch eigene Werke streut auch mal Eigenkompositionen ins Programm. Herrlich auch die beseelten Chorsätze, die dann aus dem Wohlklang ins Hysterische abgleiten dürfen wie am Schluss der „Follia Sinfonia Paduana“ von Marco Uccellini.  All das ist übrigens einem Urnarren gewidmet: Ersamsus von Rotterdam, der vor 500 Jahren sein „Lob der Torheit“ veröffentlichte.
> Ensemble-Website.
> CD bestellen.

CD des Monats  Februar 2013
ULRICH MÜLLER, REINHARD WIEDEMANN,
EBERHARD KUMMER
Wartburgkrieg und Tannhäuser-Ballade (Chaucer-Studio)
Wartburg-KriegDer Sängerkrieg auf der Wartburg ist harter Stoff. Obwohl die Dichtung im Mittelalter einen hohen Stellenwert hatte und in vielen Handschriften auftaucht, ist sie doch in allen Ausuferungen ein fast unübersichtliches Terrain, dessen genaue Auslotung großes Fachwissen und Einfühlung ins mittelalterliche Denken erfordert. Obwohl in der Jenaer Liederhandschrift und der Kolmarer Liederhandschrift sangbare Melodien überliefert sind, gibt es das Werk als Ganzes bislang noch nicht auf CD, selbst nach Auszügen muss man lange suchen. Zumindest was den populärsten und noch am leichtesten nachzuvollziehenden Teil, das „Fürstenlob“, angeht, gibt es aber eine brauchbare Zusammenfassung auf CD. An ihr hat noch der kürzlich verstorbene Germanist Prof. Dr. Ulrich Müller mitgewirkt, er gibt zu Beginn des Mitschnittes eines Auftritts im Wiener Kulturforum eine fast 10-minütige Einführung. Sodann schlüpft Reinhold Wiedemann, begleitet vom allseits rührigen Eberhard Kummer, in die Rollen der unterschiedlichen Akteure Walther, Wolfram, Heinrich, Reinmar, Bitterolf und „Der Tugendhafte Schreiber“, die Rollenwechsel werden jeweils per Zuruf angekündigt. Wiedemann gibt alles, schließlich steckt in den Texten viel Emotion, Emphase und Empörung, denn es geht um Kopf und Kragen. Doch Stempfel muss am Ende mit dem Strick abziehen, denn die Landgräfin beschützt den aufmüpfigen Heinrich vor dem Tode. Und wer es immer noch nicht weiß: Heinrich ist der von Ofterdingen und nicht der Tannhäuser, wie erst Herr Wagner behauptet. Es geht auch nicht um lüsterne Ausflüge zum Venusberg, sondern um Ehrlichkeit, Höflichkeit und Gefolgschaft. Die Vorstellung des Wagnerschen Helden ergänzt am Ende Eberhard Kummer, der die CD um eine geniale Version der Tannhäuser-Sage in einer Vertonung aus dem 15. Jahrhundert bereichert. So bekommt man die beiden doch sehr unterschiedlichen Zutaten zu schmecken, die Wagner im 19. Jahrhundert vermischt hat, nicht ohne eine ordentliche Prise Liebestod-Schmalz hinzuzugeben. Damit entstand ja unser etwas verzerrtes Bild vom Wartburgkrieg. Danke an die Akteure fürs Zurechtrücken! (lj)
> Mehr zum Thema hier.

CD des Monats  Januar 2013
DULAMANS VRÖUDENTON
Sinnliches Mittelalter (Domino)
Dulamans Vröudenton "Sinnliches Mittelalter"Aus Anlass der Auflösung von "Dulamans Vröudenton" sei hier auf einen echten Klassiker verwiesen, der bei jedem Mittelalterfreund in den Plattenschrank gehört: das Album "Sinnliches Mittelalter" des hochkarätigen Salzburger Ensembles. Nach einer zierlichen "Ductia" leitet Neidharts Winter-Abschiedsklassiker den Reigen ein: Hier holt sich der Ritter bei der Dame eine Abfuhr und begibt sich statt dessen zu den "Dörpern", um ihnen das Tanzen zu lehren. Dem Tanz folgt dann ausklingende Sinnlichkeit am frühen Morgen: Ein "Owê"-Tagelied des großen Heinrich von Morungen, von Thomas Schallaböck herrlich schlicht und stimmig vertont. Ihr schneeweißer Leib lockte ihn in der Nacht in lieblicher Nacktheit, doch nun wird es Tag und alles geht dahin. Die Tränen werden getrocknet durch eine zupackend-freche Version von "Kalenda Maya", bis eine echte Entdeckung folgt. In "Traege Minne" beklagt der "Schulmeister von Esslingen", dass ihm sein kleiner Freund nicht mehr beistehen will, was die Damen sehr erbost: "Solange er noch stehen konnte, traf mich der Zorn der Damen nicht, nun lässt er mich im falschen Moment im Stich". Der Held will einfach nicht mehr in den Kampf. Der Sänger hofft aber, dass sich alles ändert, wenn ihm bei seiner edlen Dame Wein und gutes Essen auf den Tisch kommt. Ein ganz anderer Blickwinkel der Minne dann in Walther von der Vogelweides "Stille Minne" beleuchtet: Eine Frau kann und darf der Welt nicht eingestehen, dass sie einen Ritter liebt und begehrt. Doch in Wahrheit kann sie sich kaum noch zurückhalten und fürchtet, bald schwach zu werden. Damit folgt eines der wunderbarsten erotischen Lieder des ganzen Minnesangs: Ulrich von Liechtensteins "Sumervar ist nu gar", hier unter dem Titel "Minne Fröiden Spil" in der Vertonung von Alois Pagitsch zu hören. Vom Natureingang über die Minnepreisung bis hin zur hochpoetischen Schilderung der Erfüllung aller Sehnsüchte: Ulrichs Lied vom "kleinvielhitzeroten Mund", der erst minnewund und dann gesund wird, braucht den Vergleich mit Walthers "Linde" nicht zu scheuen! Natürlich gehört auch noch ein Oswald in diesen Kontext: Das "traute Berbelin" ist eine unbeschwert-liebestolle Alm-Szene. Thematisch eng verwandt erklingt das "Kühhorn" des Mönchen von Salzburg, bei dem das Ensemble zu komödiantische Hochform aufläuft. Gottfried von Neifens "Büttner" schließlich ist eine Art Vorläufer von Peter Gabriels "Sledgehammer", hier freut sich die Dame, dass sie endlich mal den "tribelwegge" des "büttenaeres" in die Hand nehmen darf. Die Lieder der hohen und niederen Minne, oft auch in stilsicheren Eigenvertonungen, werden ergänzt durch sinnenfrohe Tänze, bei denen immer wieder Peter Immanuel Kraft (damals noch als Peter Giesmann) auf diversen Blasinstrumenten brilliert.  (lj)
> Artikel "Abschied Dulamans Vröudenton" hier.
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CD DES JAHRES 2015
Per-Sonat: Walther von der Vogelweide - Lieder von Macht und Liebe (Christophorus)
Per-Sonat WaltherAngesichts der Bedeutung und des Ruhms von Walther von der Vogelweide ist es erstaunlich, dass bislang nur wenige Alben ausschließlich seinem Werk gewidmet ist. Der Minnesang.com-Redaktion liegt hier jedenfalls bislang erst der dritte Walther-Longplayer vor: Zunächst der Bärengässlin-Klassiker von 1980, dann die Verlag-der-Spielleute-Compilation „Saget mir ieman: waz ist Minne?“ (2007)  und nun „Lieder von Macht und Liebe“ von Per-Sonat. Das Problem bei jedem derartigen Projekt ist natürlich die extrem eingeschränkte, zudem äußerst disparate Melodienüberlieferung, die einem übergroßen Textkorpus gegenüber steht. So muss man nicht nur suchen und sammeln, sondern auch die Kreativität walten lassen, um Text und Musik adäquat zu würdigen und zusammenzubringen. Das vorliegende Werk ist trotzdem aus einem Guss, dafür gebührt dem Ensemble  höchstes Lob. Auf bewährten Pfaden bewegt man sich allein mit dem „Lindenlied“ in der „En-mai“-Melodie und dem im Münsterschen Fragment überlieferten „Palästinalied“: Bei beiden Stücken hat sich eine Interpretationstradition etabliert, die kaum noch Spielraum lässt. Aber man kann auch anderes probieren: So wurde der Reichston nicht wie üblich nach Puschmanns Singebuch vertont, sondern nicht minder eindrucksvoll im Kreuzton nach Valentin Voigt. Sehr schön auch das vieldeutige Lied „Do der sumer komen was“ zu einer Weise des melodisch stets großartigen Meister Alexander aus der Jenaer Liederhandschrift. Das lyrisch beeindruckende Vokalspiel „Die welt was gelf rot unde bla“ - alle Reime der ersten Strophe enden auf a, in den weiteren Strophen folgen e, i, o, u -  wurde in einer Melodie des Trouvères Gautier d'Espinal umgesetzt, auch das ein Glücksgriff! Höhepunkt der eigenen Denkarbeit ist die Umsetzung des Unmutstones, wobei man Teile des unvollständig überlieferten König-Friedrichs-Tones um einen Teil des Conductus „Unicornis captivatur“ aus dem Codex Engelberg ergänzt hat. Erstaunlich auf den ersten Blick, aber es funktioniert! Frau Lutzenberger singt wie immer strahlend schön, was dort, wo's minniglich, lyrisch oder sakral wird, besonders gut wirkt. Bei Walthers Trotz- und Wutausbrüchen fehlt einem manchmal dann doch eine aufbegehrende Männerstimme. Die instrumentale Umsetzung mit Fideln, Dreh- und Streichleier, ab und zu Sackpfeife und Flöte wirkt rund und stimmig, auch Baptiste Romains Zwischenspiele, die manch überlieferte Melodik fortspinnen, passen. Erfreulich, dass hier auch der Walther zugeschriebene „goldene Ton“ erklingt. Insgesamt eine schöne Mischung aus Minne und Spruchgesang, aus Klassikern und mancher Neuentdeckung. (lj)
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- Per-Sonat: "Walther von der Vogelweide - Lieder von Macht und Liebe" hier.
- Diverse: "Walther von der Vogelweide - Saget mir ieman: waz ist Minne?" hier.
- Bärengässlin: "Walther von der Vogelweide" hier.

CD des Jahres 2014
SABINE LUTZENBERGER/NORBERT RODENKIRCHEN
In vergessenen Tönen - Die Sangsprüche Meister Frauenlobs
(Marc Aurel Edition/Raumklang)

In vergessenen ToenenHeinrich von Meißen alias Frauenlob war für seine Zeitgenossen eine unbestrittene Autorität: Meister des geblümten Stiles, Dichter und Komponist ausgedehnter Leiche, Brückenbauer zwischen Minne und Mystik und hochkarätiger Sangspruchdichter. Kein Wunder, dass die Manesse ihn als Lehrmeister der Dichter und Musikanten präsentiert, dass die Meistersänger ihn zu ihren großen Vorbildern zählten und dass von ihm Notenmaterial in ungewöhnlich großem Umfang überliefert ist. Der Bedeutung des Mannes fürs Mittelalter diametral entgegen steht der geringe Anteil von Frauenlob-Werken in der aktuellen Aufführungspraxis, so dass man wirklich fast schon von „vergessenen Tönen“ sprechen kann. Wahrscheinlich ist uns nüchternen Menschen das Frauenlob-Oeuvre doch ein wenig zu „geblümt“, da können wir uns mit Walther oder Neidhart eher identifizieren. Dem Duo Rodenkirchen-Lutzenberger hat es dieser Mann aber angetan: Nach der viel gerühmten „Taugenhort“-Produktion geht es nun weiter mit einem Einblick vor allem in das Sangspruch-Schaffen. Schon der Einstieg überzeugt: „Ich saz uf einer gruene“ stellt den Meister als Beobachter und Denker in die Walther-Tradition. „Mit jungen junc“ zeigt dann, dass Frauenlob in Text und Melodie auch klar und einprägsam sein kann: Halte Maß und wäge ab, was und wo geboten ist! Ganz anders die vieldeutige Minne-Reflektion „Swer minne schilt vil vueren“, eine meiner Lieblingsstellen in Frauenlobs Werk – hier gibt es unendlich viel Interpretationsspielraum, wie der „Wappenschild der Minne“ nun zu führen ist;  man kann sich dabei aber auch einfach an den Worten und Klängen berauschen oder ganz tief in sich hineinhören. Mit Traversflöten, Harfe und Lutzenbergers herrlichem Sopran finden die beiden Musiker stets die angemessene Umsetzung. Frauenlob wird trotz seiner Genialität nicht als Einzelphänomen betrachtet, sondern auch noch in einen Kontext gestellt: Instrumental klingen Zeitgenossen wie die Spruchsänger Der Unverzagte und Der Kanzler an, aber auch der geistliche Hymnen- und Sequenzen-Komponist Adam de St. Victor aus dem 12. Jahrhundert. Seine Musik wird auch den Worten von Meister Eckart unterlegt – der einflussreiche, aber auch umstrittene Theologe und Philosoph wird hier als unerwarteter Geistesverwandter von Frauenlob vorgestellt. Übrigens genau in der Mitte der CD, vielleicht ein Verweis auf die große Rolle, die Spiritualität und Frömmigkeit für Frauenlobs Werk haben! Das letzte Wort hat natürlich Frauenlob selber: Der Sangspruch „Daz ende sagt volkomenheit der dinge“ zeigt auf, wie wichtig es ist, alles zu einem gelungenen Abschluss zu bringen. Das Duo findet zum guten Ende einer auch klanglich betörend schönen CD und setzt dem Liedvortrag als i-Tüpfelchen noch eine nachdenkliche Harfen-Coda hintan. (lj)
>> Die CD ist bei  Minnesang.com erhältlich zum Preis von 15 Euro plus 3 Euro Versand!

CD des Jahres 2013
EVO
Eva (Song Surfer/Cargo Records)
La FolliaKeine Frage, diese Gruppe aus Spanien ist die große Hoffnung am Mittelalter-Himmel: Evos großartige Live-Version von Jauffre Rudels „Lanquan li jorn“, dem unsterblichen Lied über seine „Lieb so fern“ stand, bezauberte mich schon vor zwei Jahren bei Youtube. Nun gibt es also auch ein Album, das ganz dem Sang der Trobadors gewidmet ist. „Lanquan li jorn“ wird dabei noch weiter verfremdet, die sphärischen Flächen im Hintergrund – laut Booklet von Efrén Lopez Sanz mit Drehleiern produziert – könnten auch aus der Synthie-Werkstatt von Pink Floyd kommen, doch mit einem herrlich inspirierten Oud-Solo erdet Sanz das ganze wieder. Er ist Mastermind des Ensembles, das sich selbst als „Band“ bezeichnet, seine unerschöpfliche klangliche Fantasie prägt das Album, Miriam Encinas Lafitte und Laia Puig Olives begeben sich mit Flöten, Dudelsack und divesem Schlagwerk mit Wonne in diese Klangwelt hinein.  Doch das ist nur die halbe Miete: Der Sound von Evo wird vor allem durch die ebenso sanfte wie raue, ebenso elegische wie erdgebundene Stimme des Sängers Iván Lopez Sanz geprägt. Er kommt aus der Rockszene und kam bei Evo erstmals überhaupt mit mittelalterlicher Musik in Kontakt. Das ermöglicht einen unbefangenen Zugang und ungewohnte Stimmfärbungen. Manchmal stellt er auch seine weiblichen Anteile in den Vordergrund stellt, bei Raimon de Miravals „Bel m'es qu'ieu“ singt er wie einstmals Freddy Mercury gar mit sich selbst im Chor. Man sieht, das ganze hat trotz der Verwendung eines großen Arsenals alter Instrumente  nichts mit der puristischen Kälte vermeintlich authentischen Musizierens zu tun. Auch in puncto Aufnahmetechnik werden alle Register gezogen, wenn's nötig ist, dann fährt man wieder zurück bis kurz vor der Hörbarkeitgrenze. Doch egal, ob laut, ob leise:  das Musizieren ist aber immer von Leidenschaft und Intensität geprägt. Und egal, ob die Arrangements modern oder historisch klingen, immer ist der große Respekt vor der Musik der Trobadors spürbar. Das Projekt ist übrigens Miriams Mutter Maria Lafitte gewidmet, der 2008 viel zu früh verstorbenen Sängerin von Folklore und Trobadormusik, die u.a. mit Oni Wytars zu hören war. Ein wenig von ihrem Geist lebt und entwickelt sich in der Musik von Evo weiter. (lj)
> Live-Version von Lanquan li jorn bei Youtube.
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CD des Jahres 2012
LEONES
Neidhart - A Minnesinger and his "Vale Of Tears" (Naxos)
Neidhart, LeonesMarc Lewon und seine Leones fügen bei dieser Einspielung der frühesten Melodienüberlieferung Neidharts (Frankfurter Fragment)  der umfangreichen Neidhart-Rezeption die fehlende Nuance hinzu. Im öffentlichen Bewusstsein ist der Minnesänger, der auf satirische Weise den Niedergang des Adels und den Aufstieg des Bauerntums in den Blick nahm, durch viele grobschlächtige Interpretationen selber als eine Art Dörper präsent. Dass der Mann ein höchst kunstfertiger Poet und Sänger von sensiblem Gemüt war, fällt dabei unter den Tisch. Diese Einspielung führt Neidhart in die höfische Tafelrunde zurück! Schon dafür gebührt die Auszeichnung als CD des Jahres. Marc Lewon ist aber zusätzlich für sein großes musikalisches Engagement für die Musik des hohen und späten Mitttelalters zu ehren, denn auf vielen bemerkenswerten CDs der letzten Zeit (Glogauer Liederbuch, Peregrina, La Bella Mandorla, Les Flamboyants, Unicorn) ist er zu hören.  (lj)
> Die Original-CD-Kritik findet sich hier.
> Neidhart in der Bibliothek der Minnesänger.
> Magisterarbeit von Marc Lewon zum Frankfurter Neidhart-Fragment.
> Die CD gibt's für 15 Euro plus 3 Euro Versand bei Minnesang.com.

CD des Jahres 2011

Oni Wytars "Mediterraneum" (Sony Music)
Oni Wytars MediterraneumKeine Frage, das ist sie: Die CD des Jahres 2011 aus der Sparte mittelalterlicher, minniglicher, meisterhafter Musik! Das Mittelmeer galt im Mittelalter als Mittelpunkt der bewohnten Welt, die Musik des Mitttelmeerraums kommt also aus der Mitte des Seins. Oni Wytars nehmen das als Auftrag und nähern sich der Überlieferung nicht akademisch, sondern spirituell: also sozusagen meditativ-mediterran. Marco Ambrosini, Katharina Dustmann, Peter Rabanser, Michael Posch und die beeindruckende Vokalistin Belinda Sykes sind nicht nur brillante Musiker, sondern selber auch "mittendrin": an vielen Orten mit offenen Ohren dabei, immer bereit für gemeinsames Musizieren, das Einatmen von Impulsen, Spieltechniken, Melodien, Skalen und Klangcharakteristika. Deshalb gelingt der Grenzgang zwischen Orient und Okzident, zwischen akribischer Recherche und spontaner Improvisation, ohne dass daraus - wie bei vielen anderen Ensembles - ein beliebiges Allerlei wird. Als Fixpunkte in den manchmal ungewohnten Klangwelten dienen Klassiker des Ensembles wie "Jalla man", der gute alte Saltarello und "Stella splendens" - letzteres in einer 8-Minuten-Version von berückender, ja beglückender Intensität! Die jahrelange Beschäftigung mit Melodien hilft den Musikern, zu Tiefenschichten vorzudringen, die andere nicht erreichen können. Gleichzeitig erlebt man Momente der Vertrautheit, bis man wieder bereit ist, Neues zu entdecken. Ein weiterer Beweis für die Meisterschaft des Weltklasse-Ensembles, das den Mittelpunkt zeitgemäßer Mittelalter-Interpretation trifft! (lj)
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> Website des Ensembles hier.

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CD DES JAHRES 2010
Ougenweide: "Herzsprung" (Große Freiheit/Bureau B)
Ougenweide Herzsprung CDZum 40-jährigen Bühnenjubiläum von Ougenweide erschien im März 2011 das erste Studio-Album der unbestrittenen Pioniere des Mittelalter-Rocks nach eineinhalb Jahrzehnten.  Im Mittelpunkt des Albums stehen dezente und hoch inspirierte Vertonungen von Texten, deren literarisches Spektrum vom frühen Mittelalter bis zur Romantik reicht.  Die Veröffentlichung des Albums wurde überschattet durch den Tod von Ougenweide-Gründer Frank Wulff, dessen musikalische Handschrift das Album von der ersten bis zur letzten Note prägt. So wurde das Album, das sich qualitativ problemlos mit den gefeierten Werken der Frühphase wie "Ohrenschmaus" und "All die weil ich mag" messen kann, auch zu seinem Vermächtnis. Ougenweide bewiesen aber auf Konzerten in Hamburg, Bonn und Fulda, dass sie in Frank Wulffs Geist weitermusizieren können und diese wunderbare Musik auch live großartig funktioniert. Die heutige Mittelaltermusik-Szene huldigte Ougenweide mit einem Tributkonzert im Juni auf Burg Falkenstein, einem "Ouwe" mit großer Besetzung beim Festival Mediaval im September in Selb sowie den beiden Alben "Tribut an Ougenweide" und "Merseburger Zaubersprüche".

Angesichts der Veröffentlichung des Albums schrieb Minnesang.com im Februar 2010 folgende Rezension:

Im Gegensatz zum Vorgängeralbum "Sol", das in synthetischen Klängen geradezu badete, hat man sich bei "Herzsprung"  Natur pur verordnet. Zum Klingen kommen Instrumente, die die Gebrüder Wulff aus aller Herren Länder nach Hamburg ins heimische O-Ton-Studio gebracht haben. So erklingen in trauter Eintracht Tritonshörner, Launedda, Duar, Koto, Monochord und manch andere exotische (oder historische) Köstlichkeit. Ougenweide gelingt es, aus einer deutlich gereiften Perspektive an die Siebziger anzuknüpfen. Mechthild von Magedeburgs "Dy minne", die brillante Merseburger Zauberspruch-Vertonung "Phol ende Uuodan" und "Der welsche Tanz" klingen ganz wie in den besten Tagen. Allerdings ist an die Stelle der jugendlichen Unbefangenheit von einst die Klangsensibilität eines an Musik und Erfahrung reichen Lebens getreten! Die Arrangements sind über Jahre gewachsen und wurden mit Liebe zum kleinsten Detail ausgearbeitet. Neben dem von Olaf Casalich beseelt und rhythmisch zupackend gesungenen Pferdezauber "Phol ende Uuodan", über dem ein herrlicher fünfminütiger Spannungsbogen liegt, gibt es ein weiteres Meisterstück: Sabine Maria Reiß interpretiert geradezu entrückt das tieftraurige "Ich sachs eins mals", in dem sich die Liebessehnsucht des Glogauer Liederbuches mit den Schmerzen aus Blues und Klezmer verbinden. Die Band, die Vorbild für die gesamte Mittelaltermusikszene ist, beschließt ihr Album augenzwinkernd mit einem einminütigen Epilog vom Kaliber "Merseburger Spieluhr". Ein reifes Werk von abgeklärten Musikern, die wissen, worauf es im Leben ankommt - vergleichbar nur noch mit den aktuellen Produktionen von Sting oder Peter Gabriel! (lj) 
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Burg Falkenstein CD Walther von der Voglelweide CD Minne im Mayen CD Falken, Lerchen Nchtigallen CD European Minnesang CD Spruchgesang und Sachsenspiegel CD Tribut an Ougenweide CD Merseburger Zaubersprüche CD
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