Nachruf auf Hans Hegner
(1959 - 2017)

von Dr. Lothar Jahn,
www.minnesang.com

Hans HegnerDie deutsche Minnesangszene hat einen ihrer profiliertesten Vertreter verloren: Der Sänger, Rezitator, Übersetzer und Multi-Instrumentalist Hans Hegner aus Berlin starb am 10. Mai 2017 an den Folgen eines Herzleidens.  Dies ist auch ein schwerer Verlust für die Redaktion von Minnesang.com, denn Hans Hegner war als Autor und Berater von Anbeginn mit dabei und hat in vielerlei Weise mit seiner Kompetenz geholfen, diese Seite mit Information und Hintergrundwissen zu füllen. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schließen sein wird: Sein Stil, die Musik des Minnesangs und der Sangspruchdichtung zum Klingen zu bringen, war unverwechselbar und einzigartig.

Hans Hegner wurde 1959 geboren. Er studierte Ältere Germanistik und Sprachwissenschaften in Berlin und Salzburg, u.a. bei Ulrich Müller. Die wissenschaftliche Arbeit an Text und Übersetzung, sowie Kenntnis der handschriftlichen Quellen bildeten stets das Fundament seiner Interpretation. Er war aber offen für viele Einflüsse: Er liebte den britischen Folkrock ebenso wie den Prog der französischen Band Magma. Von den deutschen Bands hatten es ihm vor allem die Hamburger Minne-Rocker Ougenweide angetan: Er  war mit einem Teil der Ougenweide-Musiker befreundet und nahm in deren O-Tonstudio einige Lieder auf.

Hans Hegner spielte seit 1989 mit seiner Frau Ursel Peters im Folk-Duo "Fundevogel" - mit ihr hat er auch zwei Söhne. Beide waren auch mit einem Mechthild-von-Magdeburg-Programm unterwegs, das sie auch zweimal im Kloster Helfta vorstellten, wo Mechthild ihren Lebensabend verbrachte.

Seit 1996 war Hans Hegner Mitglied bei "Collage - Forum für Frühe Musik Berlin" und sang mehrfach auf der Wartburg bei der Veranstaltung "geteiltez spil". Er war Teilnehmer vieler Minnesänger-Wettstreite, zweimal ging er als Sieger aus dem Falkensteiner Minneturnier hervor: 2012 gemeinsam mit Dagmar Jahn mit einer Interpretation von "Tristan und Isolde", 2015 mit einem ungeöhnlich realistischen Kreuzfahrerlied bei der Veranstaltung rund um den Tannhäuser.

Auf Märkten und bei Schulveranstaltungen war er oft mit Cosima Hoffmann zu erleben, mit der er das Duo "Kleine Sekunde" bildete. Auch beim Hofgeismarer Musiktheater Dingo war er ein gern gesehener Gastmusiker: Dort war er beim nordhessischen Kultursommer als Walther von der Vogelweide auf Schloss Berlepsch 2013 zu erleben, auch beim Stück "Anno 1414" (2014) war er dabei. Bei der neuen Produktion "feste bvrg vnd welt vol teüfel" (Premiere Juni 2017) sollte er als Hans Sachs mitwirken, auf dem im März produzierten Album ist er noch zu hören.

Für viel Aufmerksamkeit sorgte seine bewegende Interpretation des jüdischen Minnesängers Süßkind von Trimberg (Premiere 2011 in der Alten Synagoge Vöhl, 2015 auch beim Festival "wunderhören" in Worms zu erleben). Auch zu dieser Produktion war eine CD in Vorbereitung, zu der er noch die Gesangsparts einsang und einige Instrumente einspielte, die Arrangements blieben aber unvollendet.

Bei allen Mitgliedern der kleinen Minnesang-Community bleibt er unvergessen. Seine Ernsthaftigkeit, aber auch Begeisterung bei der Auseinandersetzung mit den Stoffen überzeugte ebenso wie seine seine herzliche Zuwendung zu den Menschen, mit denen er arbeitete. Sein großartiges Rhythmusgefühl machten es leicht, mit ihm zusammen zu spielen. Seine Akribie sorgte dafür, dass man selbst bei der Interpretation noch genauere Maßstäbe anlegte. Als Übersetzer mittelhochdeutscher Texte war er unerreicht, als Korrekturleser und Berater immer wieder gefragt.

Nicht zuletzt war er ein Lebenskünstler: Materielle Güter waren für ihn unwichtig. Aufs eigene Auto verzichtete er, er kam mit Bahn und Bus trotz großem Instrumentarium überall hin. Auch Eitelkeit und Geltungsdrang war ihm völlig fremd. Aber wenn er auf der Bühne sich mit wachem Verstand, aber auch voller Gefühl der Musik hingeben konnte, dann war er auf eine solch befreiende Art glücklich, dass sich das sofort aufs Publikum übertrug.    

>> Minnesang.com-Sänger-Porträt von Hans Hegner zum dreißigjährigen Bühnenjubiläum (mit Links zu Videos).
>> Siegertitel von 2015 beim Falkensteiner Minneturnier (Kreuzlied des Tannhäuser).
>> Walther von der Vogelweides "Ich saz uf eime steine" mit Hans Hegner.