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innesang.com: Bibliothek der Minnesänger

                                                                              

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Oswald auf CD:
Unicorn
UNICORN: Oswald von Wolkenstein
- Frolich, zärtlich, lieplich - Das Ensemble Unicorn ist wie kein anderes in der Lage, aus Mittelalter-Instrumenten Klangfarben in symphonischer Vielfalt hervorzulocken. Alles ist in Fluss und Entwicklung, blüht auf und nimmt sich zurück im beglückten Musizieren. Dafür sorgt auch ein hochkarätiges fünfköpfiges Sängerensemble (herausragend: Hermann Oswald). Gleich zu Anfang gelingt mit „Vil lieber grüsse süsse“ ein echter Knaller, was vom groovigen, höchst originellen Arrangement unterstützt wird, bei dem sich die instrumentale Vielfalt über einem hypnotisch treibenden Maultrommel-Beat entfaltet.
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Binkley
ANDREAS SCHOLL: Owald von Wolkenstein - Songs of Myself
- Der Zugang, den der Countertenor Andreas Scholl mit seiner faszinierend klaren Stimme und sein inspiriertes Ensemble mit bekannten Namen wie Kathleen Dineen, Marc Lewon, Margit Übelacker und Crawford Young (Leitung) wählen, führt tatsächlich über den Hohen Sang. Die oft mit leicht spöttischem Beiklang vorgetragene Charakterisierung Oswalds als "letzter Minnesänger" wird ernstgenommen, wobei auch die Einbettung im Umfeld der Renaissance vor allem in den dezent schwingenden, lichtdurchfluteten Instrumentalstücken spürbar wird. Die klanglich hervorragende Einspielung setzt einen bewussten Gegenpol zur spielmännisch-ungehobelten Oswald-Interpretation.

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Oswald Ensemble Augsburg
ENSEMBLE FRÜHE MUSIK AUGSBURG: Oswald von Wolkenstein - Ritter und Minnesänger
- Die hervorragende Einspielung der Augsburger war zeitweise vergriffen, nun gibt es sie wieder. Mit viel Verve und Schwung bieten die hervorragenden Interpreten einen Überblick über Oswalds Werk von "Es fugt sich" bis "Her wirt", von "Nu rue mit sorgen" bis "Ave Mater" und "Vil lieber grüesse". Die "Greatest-Hits"-Collection, bestens geeignet für Einsteiger, um Oswald kennenzulernen.
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OSWALD VON WOLKENSTEIN
von Dr. Lothar Jahn

Am Ende des 14. Jahrhunderts meldet sich noch einer zu Wort, der den Minnesang zur höchsten Blüte bringt, ihn aber auch in Beziehung setzt zu den populären Musikstilen seiner Zeit: Die Rede ist Oswald von Wolkenstein, dem "letzten Minnesänger". 

Oswald war ein wilder Haudegen, ein Ritter, der viele Kämpfe zu führen hatte, aber auch als Diplomat im Einsatz war. Er ist im Gefolge eines fahrenden Ritters in vielen Ländern unterwegs: Preußen, Russland, Italien, die Türkei, Persien, überall nimmt er Erinnerungen mit und lässt sich musikalisch inspirieren, klaut Melodien und Satztechniken, ja er schreibt sogar mehrsprachige Lieder, die munter alles mischen, was ihm zu Ohren kommt. Dabei mischt er auch mal die unterschiedlichen Sprachen wie in seiner mittelalterlichen Eurovisions-Hymne "Do frayg amors", bei der in den Strophen zeilenweise die Sprache wechselt. In seinem Lied "Der may mit lieber zal" spinnt er dann den typischen Minnelied-Natureingang weiter und lässt die Vogelstimmen mit eigenen Sprachschöpfung aufs Wunderbarste tirillieren - von "oci oci fideli" bis "cieriri civik", von "liri liri lon" bis "kawaq wa cu cu".

"Wach auff mein hort", eines seiner bekanntesten Lieder, greift wiederum die alte Form des Tageliedes auf, bei dem sich Ritter und Herrin nach einer verbotenen Nacht in Schmerzen trennen müssen. Hier üben sich Sprache und Musik in schlichter Zurückhaltung und zarter Poesie. Kein Wunder, dass das Lied schon bald zu einer Art Klassiker wurde, das sich auch außerhalb der Oswald-Handschriften z.B. im  Rostocker und im Lochamer Liederbuch findet. 

In seiner Fabulierkunst und poetischen Finesse, aber auch in seinem burschikosen Charme ist er ein Erbe Neidharts, den er als Dichter noch übertrifft. Obwohl er Frust und Lust, alltäglichen Kleinkram und hohe Ideale, Gott und die Welt, Kampf und Eros, vor allem aber sein überbordendes Ego, das mindestens so ausgeprägt ist wie bei Walther von der Vogelweide, in seine Lieder mit hineinnimmt, ordnet sich durch seinen Formgefühl und sein stilistisches Können alles zu hoch individuellen Bravourstücken, die die Zeitgenossen ebenso verblüfften wie die Nachwelt.

Damit das alles auch bestehen bleibt, sorgte er lobenswerter Weise schon zu Lebzeiten als einziger Minnesänger für eine Gesamtausgabe seiner Werke in zwei Prachthandschriften inklusive Noten und einem Porträt seiner nicht unbedingt vorteilhaften, eher grobschlächtigen Physiognomie.

Biografisches fließt immer wieder in seine Lieder mit ein:
Sein Klassiker "Es fugt sich" fasst die Zeit der Abenteuer und weiter Reisen zusammen, der er in dem selbstironischen Klagelied "Durch Barbarei, Arabia" nachtrauert. Nun sind statt Wagemut und Diplomatie die häuslichen Pflichten angesagt, und er muss dichten, während die Kinder ihm mit Geschrei das Leben schwer machen. Ganz anders wieder der Ton im  triumphalen Gassenhauser "Nu huss", mit dem er den Sieg der Gebrüder Wolkenstein über zänkische Nachbarn feiert.

Einer seiner größten Würfe ist das tänzerische, im Neidhartschen Stil gehaltene "Vil lieber grüesse süeze",  bei dem fast wie bei einen Rap die Satz und Wortfetzen kunstvoll rhythmisch durcheinander geschüttelt werden, das ein unwiderstehlicher Drive entsteht, den auch die zündende Melodie aufnimmt. Das ist Lebens- und Frühlingsfreude pur!

Mit dem Neujahrslied "Gelück und hail", auch das wieder mit einer großartigen Melodie versehen, nimmt er die Preisung aller körperlichen Vorzüge der begehrten Herrin auf, wie sie Walther von der Vogelweide ("Si wunder wol gemachet wîp") und der Tannhäuser ("Gen disen wihenachten") vorgemacht haben: von den "wenglin rot" bis zu den "füsslin klein", wobei auch dem "Dazwischen" gebührender Raum eingeräumt wird, ohne die Liebste darauf zu reduzieren. Erotisches klingt in seinem Gesamtwerk immer wieder an, mal zupackend-frivol, dann wieder zurückhaltend-zärtlich: Musik und Sprache werden genussvall als Mittel der Verführung ausgekostet!

Aber auch geistliche Lieder hat uns Oswald in großer Zahl hinterlassen: Sein "Ave Mater" stimmen heute sogar beseelte Sängerknaben mit tiefer Inbrunst an. "Der oben swebt" ist dann eine wortgewaltige Preisung Gottes und seiner Schöpfung, die dann ganz profan endet mit einer Art Gebet, in dem er die Jungfrau Maria bittet, ihn vor seinen Feinden in Sicherheit zu bringen. "damit mich kainer nicht verhau". Er scheut sich aber auch nicht, die Qualen der Hölle auszumalen, wobei sich in den schlimmsten Kammern die Wucherer zwischen Würmern und Schlangen winden und in großer, ew'ger Angst böse Nonnen, Mönche und Pfaffen ihre sündige Heuchelei büßen müssen.

Freude des Trinkliedes kommen wiederum bei dem erstaunlichen Kanon "Her wirt uns dürstet" auf ihre Kosten, der auch heute immer noch gern angestimmt wird. Aber Vorsicht! Schon manche weinselige Mittelalterrunde ist zu später Stund an dem raffinierten Satz gescheitert, der höchst kunstfertig klingt, wenn man die Einsätze und Pausen richtig nimmt, aber aufgrund der rhythmischen Feinheiten im verwirrten Durcheinander ungeschulter Sangesbrüder zu versanden droht.

Wieder im ganz anderen, zarten Ton betört uns das minnigliche Dialog-Lied "Ain gut geboren edel mann". Hier umwirbt der Ritter ein schönes Fräulein, das nicht zu Unrecht Unbill von einem zu großem Entgegenkommen fürchtet. Wie die beiden sich in Wort und Ton langsam aneinander herantasten, das ist von größter Poesie.

Bleibt nur ein Fazit: Der letzte Minnesänger Oswald von Wolkenstein, der die Sprachkunst und die melodische Eindringlichkeit des einstimmigen Minne- und Spruchgesangs kongenial aufgreift und durch vokale und instrumentale Mehrstimmigkeit erweitert, ist ein würdiger Vollender des Genres.


>> BUCHTIPP

Kühn OswaldDieter Kühn: Ich Wolkenstein
Die Biografie
Dieter Kühn begibt sich erneut auf eine Reise in die Vergangenheit. Diesmal muss er nicht ganz so viel spekulieren wie bei Neidhart und Wolfram, denn über Oswalds Leben ist viel bekannt. Trotzdem gelingt es dem ebenso sprachgewaltigen wie einfühlsamen Autor wieder, tief in die Persönlichkeit seines Protagonisten einzudringen. Neben viel Biografischen gibt es natürlich auch wieder hervorragende Übersetzung der Oswald-Texte. Man merkt, wie stark die Texte des "letzten Minnesängers" den der Poesie und dem guten Leben zugetanen Autor inspirieren!
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>> VIDEOS

- La Ziriola: Do frayg amors
- Ensemble Frühe Musik Augsburg: Vil lieber grüsse
- Andreas Scholl: Es fügt sich
- Thomas Schallaböck: Nu huss
- Wiltener Sängerknaben: Ave mater
- Minneklanc: Herr wirt uns dürstet 
- Jochen Faulhammer: Durch Barbarei, Arabia





Oswald von Wolkenstein
Oswald von Wolkenstein, Titelbild Innsbrucker Liederhandschrift

Lebensdaten:
Oswald von Wolkenstein wurde um 1377 in Tirol geboren, auf Burg Schöneck (Pustertal). Er hatte einen angeborenen Augenfehler, so dass nur das linke Auge sich öffnen ließ. Schon im Alter von 10 Jahren verließ er sein Elternhaus und war im Gefolge eines fahrenden Ritters in halb Europa unterwegs, lernte sogar Nordafrika kennen. Nach dem Tod des Vaters kehrte er um 1400 nach Tirol zurück. Er nahm am Italienfeldzug des deutschen Königs Ruprecht von der Pfalz teil. 1407 erbte er einen Teil der Burg Hauenstein, was immer wieder zu Streitigkeiten führte. 1408 unternahm er eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. 1415 nahm er am Konstanzer Konzil teil, im Gefolge Herzog Friedrichs IV. von Tirol. Anschließend war er im Dienst des deutsch-ungarischen Königs Sigmund, er war als Diplomat immer wieder auf Reisen. 1417 heiratete er Margarethe von Schwangau. In den zwanziger Jahren geriet er aufgrund der Streitigkeiten um Burg Hauenstein mehrfach in Haft und wurde dabei auch gefoltert, so dass er zeitweise auf Krücken gehen musste. Auch an den Feldzügen gegen die von Jan Hus gegründete Religionsgemeinschaft der Hussiten nahm er teil. 1431 nahm er am Reichtag von Nürnberg teil, dort wurde er von Kaiser Sigismund in den Drachenorden aufgenommen. Er starb am 2.8.1445 in Meran.  Er hinterließ 5 Söhne und 2 Töchter.

Überliefertes Notenmaterial:
Die ca. 130 Lieder sind vor allem überliefert in der Wiener Liederhandschrift, die 1425 begonnen wurde (mit Nachträgen bis etwa 1436), und der 1432 erstellten Innsbrucker Liederhandschrift, die in Oswalds eigenem Auftrag entstanden.

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LIEDBEISPIEL VON OSWALD

Die pluemen gele, hele,
hübsch geverbet gerbet,
prawne, schawne, plawe,
grawe, mangerlei:
mai, dein geschrai
sich florieret,
zieret, gieret
köstlicher gelüste.
Und hübsch wäsli, gräsli
sich entsliessen, spriessen
hüglich, tüglich plüede,
früede, violspranz,
glanz firlafanz
aller pame,
zame, game
zier auss kalder früste.
Stauden, stock machet schock
rauchen rock als ain pock,
läblichen bedecket.
swarzer doren weiss erkoren!
gar verloren ist der zoren,
den der winder wecket.
Küeler prunn, warme sunn
geit uns wunn, gail dich nunn,
kinden auss dem kloster!
pei dem Reime in dem scheine
ails ain veine buelbegeine
raien nach den ostern.       

Die Blumen strahlen, malen
Hübsche Bilder, wilder,
Heller, greller, grüner,
Kühner als gedacht.
Lacht! Mai entfacht
Jetzt sein Feuer,
Euer neuer
Tag ist voller Lüste.
Welch ein Blühen, Glühen!
Welch ein Fließen, Sprießen!
Herrlich! Herr, ich freu mich!
Scheu mich nicht vor Tanz,
Glanz, Firlefanz,
Such' der Dame
Warme Arme,
Ach, wenn sie das wüsste!
Stauden, los, werdet groß,
Sendet bloß einen Stoß,
In des Frühlings Fülle!
Dornen stechen, soll'n uns rächen!
Winters Zechen gilt's zu blechen,
Jagt ihn mit Gebrülle!
Warme Sonn' schenkt uns Wonn',
Selbst die Nonn' weiß davon,
Flieht die Klostermauern!
Ach, du Feine, edle Reine,
Schenk mir deine Gunst alleine:
Seliges Erschauern! 

Originale: Oswald von Wolkenstein, 15. Jh.
Nachdichtung: Lothar Jahn 2003


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