Falken, Lerchen, Nachtigallen


CD-Cover Falken

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Alle  Texte der CD


Übersetzungen, wenn nicht anders vermerkt: Hans Hegner

 

01   MUSIKTHEATER DINGO

Der Weckruf (Wizlaw von Rügen, ca.1265-1325)

 

"Wie schön die Nacht der Liebe war,

doch nun kommt uns der Morgen nah,

die Vöglein singen, der Tag, er ist da."

 

Der Weckruf klang von Ferne,

der Ritter sprach zur Braut:

"Du weißt, ich bliebe gerne.

Doch ruft der Wächter laut."

Sie nahm ihn zärtlich in den Arm

und spürte, wie die Sorge kam,

weil ihr der Tag den Liebsten nahm.

 

So blieb's ein leidvoll Scheiden,

und manche Träne floss.

Er schwor's mit tausend Eiden:

"Ich komm zurück aufs Schloss."

Sie flehte leise: "Bleib bei mir."

Er drehte sich noch um zu ihr

und sprach: "Bald bin ich ja wieder hier..."

 

(Nachdichtung: Lothar Jahn)

 

 

"List du in der minne dro? –

ich se den lechten morghen vro!

de voghelin singhen den tac, her ist ho."

 

Der ritter hort den wechter,

her wekte sine brut:

"Lep, morghen kom ich echter,

jo bist du lep, min trut." –

Se want in ir arme blanc

den ritter, mit sorghen se ranc.

her triute se, des saght se im da danc.

 

Sich hop dar ein leit scheiden,

da wart weinen so groz.

Her swuor bi tiuren eiden:

"ich tuo dich sorghen boz."

Dennoch weinete daz wip,

se sprach zuo im: "selle, nu blip!" –

her jach: "ich wil zuo dir ane kip."

 

"Liegst du gefangen noch in Liebesbanden?

Mit Freude sehe ich den hellen Morgen!

Die Vöglein besingen den Tag, die Sonne steht schon hoch."

 

Der Ritter hörte, wie der Wächter rief

und weckte sie, die bei ihm lag:

"Liebste, morgen komm ich wieder,

denn du, mein Schatz, bist mir so lieb."

Sie schloss den Ritter in ihre weißen Arme

und rang mit ihrem Schmerz.

Er streichelte sie zärtlich – sie dankt es ihm sogleich.

 

Da hob ein schwerer Abschied an,

und beide weinten sehr.

Er schwor ihr einen teuren Eid:

"Ich mache dich von allen Sorgen wieder frei."

Sie aber ließ ihr Weinen nicht:

"Mein Freund, so bleibe doch!" –

Er sprach: "Ich komme ganz gewiss zurück zu dir."

 

 

 

02   HANS HEGNER

Falkenlied (Der von Kürenberg, Mitte 12.Jh.)

 

Der tunkel sterne,      sam der birget sich,

als tuo du, frouwe schoene,      sô du sehest mich.

sô lâ du dîniu ougen gên      an einen andern man –

sôn weiz doch lützel ieman,      wiez under uns zwein ist getân.

 

 

"Ich zôch mir einen valken      mêre danne ein jâr.

dô ich in gezamete,      als ich in wolte hân,

und ich im sîn gevidere      mit golde wol bewant,

er huop sich ûf vil hôhe      und flouc in anderiu lant.

 

Sît sach ich den valken      schône fliegen.

er fuorte an sînem fuoze      sîdîne riemen,

und was im sîn gevidere      alrôt guldîn.

got sende sî zesamene,      die geliep wellen gerne sîn."

 

 

"Ez hât mir an dem herzen      vil dicke wê getân,

daz mich des geluste,      des ich niht mohte hân

noch niemer mac gewinnen –      daz ist schedelîch.

jône mein ich golt noch silber:      ez ist den liuten gelîch."

 

 

"Vil lieber friunde scheiden,      daz ist schedelîch.

swer sînen friunt behaltet,      daz ist lobelîch.

die site wil ich minnen,      bite in, daz er mir holt sî,

als er hie bîvor was,

und man in, waz wir redeten,      dô ich in ze jungest sach."

 

"Wes manest dû mich leides      mîn vil liebe liep?

unser zweier scheiden      müeze ich geleben niet.

verliuse ich dîne minne,      sô lâze ich die liute

harte wol entstân,

daz mîn fröide ist der minnest,      und alle andere man."

 

 

Aller wîbe wunne,      diu gêt noch megetîn,

als ich an sî gesende      den lieben boten mîn.

jô wurbe ichz gerne selbe,     waer ez ir schade niet.

ichn weiz, wiez ir gevalle,      mir wart nie wîp alsô liep.


 

Der Abendstern verbirgt sich in der Nacht:

So tu auch Du es, schöne Frau, wenn Du mich siehst.

Lass Deine Augen gehen zu einem anderen Mann –

so kann es niemand wissen, wie's um uns beide steht.

 


"Ich zog mir einen Falken länger als ein Jahr.

Als ich ihn gezähmt hatte, wie ich ihn haben wollte,

und ihm sein Gefieder mit goldenen Bändern schön umwandt,

hob er sich hoch hinauf und flog in andere Gefilde.

 

Seitdem sah ich den Falken herrlich fliegen.

Er trug an seinem Fuß seidene Fesseln,

und sein Gefieder glänzte ihm rot von Gold. –

Gott sende die zueinander, die sich von Herzen lieben."

 

 

"Es hat mir tief im Herzen sehr oft weh getan,

dass ich nach dem verlangte, was ich nicht haben konnte

und auch niemals bekommen werde – das ist schmerzlich.

Doch mein ich weder Gold noch Silber: Ich denk an einen Menschen."

 

 

"Wenn Liebende sich trennen, ist es schlimm.

Wer seinen Freund behält, das lob ich mir! –

Dies werde ich beherzigen und bitte ihn, mir treu zu bleiben,

wie er es bisher war,

gemahn ihn daran, was wir sprachen, als ich ihn zuletzt sah."

 

"Warum gemahnst du mich an Leid, mein allerliebstes Lieb?

Dass wir uns beide trennen, will ich nie erleben.

Verlör ich deine Liebe, so werden alle Menschen

sehr wohl erfahren,

hier und auf der ganzen Welt, dass meine Freude am Geringsten ist."

 

Die schönste aller Frauen ist noch ein junges Mädchen,

so will ich einen lieben Boten zu ihr senden.

Gern würd ich selber um sie werben, wenn es ihr nicht zum Schaden wär.

Ich weiß nicht, ob es ihr gefällt – nie war mir eine Frau so lieb!

 

 

 

 

03   MICHAEL HOFFKAMP

Under der linden (Walther von der Vogelweide, ca.1170-ca.1230)

 

Under der linden

an der heide,

dâ unser zweier bette was,

dâ muget ir vinden

schône beide

gebrochen bluomen unde gras.

Vor dem walde in einem tal,

tandaradei,

schône sanc diu nahtegal.

 

Ich kam gegangen

zuo der ouwe,

dô was mîn friedel komen ê.

Dâ wart ich enpfangen

– hêre frouwe! – ,

daz ich bin saelic iemer mê.

Kust er mich? – wol tûsentstunt!

tandaradei,

seht, wie rôt mir ist der munt!

 

Dô het er gemachet

alsô rîche

von bluomen eine bettestat.

Des wirt noch gelachet

inneclîche,

kumt iemen an daz selbe pfat.

Bî den rôsen er wol mac,

tandaradei,

merken wâ mirz houbet lac.

 

Daz er bî mir laege,

wessez iemen,

– nu enwelle got! – sô schamt ich mich.

Wes er mit mir pflaege,

niemer niemen

bevinde daz, wan er und ich

und ein kleinez vogellîn,

tandaradei,

daz mac wol getriuwe sîn.

 


Unter der Linde

an der Heide,

wo unser beider Bett war,

da könnt ihr finden,

schön anzusehen,

gepflückte Blumen und Gras.

Vor dem Wald in einem Tal,

tandaradei,

schön sang die Nachtigall.

 

Ich kam gegangen

zu jener Wiese,

mein Liebster war schon vor mir da.

Dort wurde ich empfangen

– Heilige Jungfrau! – ,

dass ich für immer glücklich bin.

Küsste er mich? – Wohl tausendmal!

Tandaradei,

seht, wie rot mein Mund ist!

 

Da hat er gemacht

ganz liebevoll

ein Bett aus lauter Blumen.

Darüber wird noch lachen

tief im Herzen,

wer daran vorübergeht.

An den Rosen kann er noch,

tandaradei,

sehen, wo mein Kopf lag.

 

Dass er bei mir schlief,

wüsste es jemand,

– verhüt' es Gott! – so schämte ich mich.

Was wir miteinander taten,

soll niemals jemand wissen,

außer er und ich

und ein kleiner Vogel,

tandaradei –

aber der verrät ja nichts.

 

 

04   HOLGER SCHÄFER

Das Lied der Schwalbe (Heinrich von Morungen, Ende 12.Jh.-ca.1220)

 

Ez ist site der nahtegal,

swanne sî ir liep volendet, sô geswîget sie.

dur daz volge aber ich der swal,

diu durch liebe noch dur leide ir singen nie verlie.

Sît daz ich nu singen sol,

sô mac ich von schulden sprechen wol:

ôwê,

daz ich ie sô vil gebat

und geflêhte an eine stat,

dâ ich genâden nienen sê!

 

Swîge ich unde singe niet,

sô sprechent sî, daz mir mîn singen zaeme baz.

sprich aber ich und singe ein liet,

sô muoz ich dulden beide ir spot und ouch ir haz.

Wie sol man den nû geleben,

die dem man mit schoener rede vergeben?

ôwê,

daz in ie sô wol gelanc,

und ich lie dur si mînen sanc! –

ich wil singen aber als ê.

 

Ôwê mîner besten zît

und ôwê mîner liehten wunneclîchen tage –

waz der an ir dienste lît!

nu jâmert mich vil manger senelîcher klage,

die si hât von mir vernomen

und ir nie ze herzen kunde komen.

ôwê,

mîniu gar verlornen jâr,

diu riuwent mich für wâr –

in verklage si niemer mê!

 

Es ist die Art der Nachtigall

zu schweigen, wenn ihre Liebe sich zum Ende neigt.

So folge ich jedoch der Schwalbe,

die weder in der Liebe noch im Leid ihr Singen lässt.

Da ich nun also singen muss,

kann ich mit vollem Recht behaupten:

O weh,

dass ich die ganze Zeit

so sehr gebeten habe und gefleht,

dort, wo ich niemals Erhörung finde!

 

Schweige ich und singe nicht,

dann sagen alle, dass mir mein Singen besser steht.

Red ich jedoch und sing mein Lied,

so muss ich ihren Spott und ihre Ablehnung ertragen.

Wie aber macht man's jenen recht,

die mit ihren süßen Worten Gift zu trinken geben?

O weh,

es ist ihnen bereits gelungen,

dass ich durch ihre Schuld meinen Gesang aufgab –

ich will nun wieder singen wie vordem!

 

O weh um meine beste Lebenszeit,

o weh um meine hellen, schönen Tage –

wie viele ich davon in ihrem Dienst verschwendet habe!

Es reut mich manche sehnsuchtsvolle Klage,

die sie von mir vernommen hat,

und die doch nie zu ihrem Herzen vorgedrungen ist.

O weh

um meine ganz und gar verlornen Jahre,

die tun mir schmerzlich leid –

ich will sie immerfort beklagen!

 


 

05   FRANK WUNDERLICH

Der meie ist komen gar wunneclîch (Reinmar von Brennenberg, Mitte 13. Jh.)

 

Der meie ist komen gar wunneclîch

mit maniger hande schoene.

Der walt ist niuwes loubes rîch,

in fröit der vogelîn doene.

Si hebent wunneclîchen schal,

vor in diu liebe nahtegal:

der sanc ich hôhe kroene.

 

Junge und alte, sît gemeit

und sprechet wol von frouwen!

Von in kumt alle saelicheit.

ir mugt sie gerne schouwen

und sult in iemer wesen holt –

si gebent wunnebernden solt,

ir lop ist wol erbouwen.

 

Gedenke, sinnic saelic man,

an reiner wîbe güete,

was si wirde mugen hân.

ir lob in êren blüete

und ist ouch gar durchliuhtic ganz

alsam der liehten sunnen glanz:

si gebent hôchgemüete.

 


Der Mai ist gekommen so freudenvoll

mit vielfältiger Pracht.

Der Wald ist reich an neuem Laub

und freut sich am Gesang der kleinen Vögel.

Den stimmen sie so herrlich an,

die liebliche Nachtigall vor allen anderen:

Ihren Gesang preis ich mit höchstem Lob.

 

Alt und Jung, seid fröhlich nun,

ehrt und lobt die Damen!

Von ihnen kommt das ganze Glück.

Ihr dürft sie gern anschauen

und solltet ihnen immer treu ergeben sein –

sie schenken glückbringenden Lohn,

um ihren Ruhm ist's gut bestellt.

 

Bedenke, Du kluger, glücklicher Mann

die Tugend edler Frauen,

und was für hohes Ansehen sie genießen.

Ihr Ruhm in Würde ist erblüht

und ist von Licht durchdrungen ganz

so wie der hellen Sonne Glanz:

Sie schenken einen frohen, stolzen Mut.

 

 

06   THOMAS SCHALLABÖCK

Wê warumbe (Ulrich von Lichtenstein, ca.1200-1275)

 

Wê war umbe suln wir sorgen? –

fröide ist guot!

Von den wîben sol man borgen

hôhen muot.

Wol im, der in kan gewinnen

von in, derst ein saelic man!

fröide sol man durch si minnen,

wan dâ lît vil êren an.

 

Wir suln tanzen, singen, lachen

durch diu wîp.

Dâ mit mac ein man gemachen,

daz sîn lîp

wirdet wert, ob er mit triuwen

dienet guoter wîbe gruoz. –

swen sîn dienest wil geriuwen,

dem wirt selten kumbers buoz.

 

"Mit dem wazzer man daz fiuwer

löschet gar."

"Vinster ist der sunnen tiuwer." –

beidiu wâr

sint diu maere. ir hoeret mêre,

habet für wâr ûf mînen lîp:

"rehten man von herzen sêre

scheidet nieman wan diu wîp."

 

Ôwê, ôwê, frouwe Minne,

mir ist wê.

Nû grîfe her, wie sêre ich brinne! –

kalter snê

müeste von der hitze brinnen,

diu mir an dem herzen lît.

kanst du, Minne, triuwe minnen,

sô hilfest du mir enzît.

 

 

Ach, was sollen wir uns sorgen? –

Freude tut gut!

Von den Vögeln soll man sich

das Herz erheben lassen.

Wohl ihm, der das durch sie erfährt,

der kann sich glücklich schätzen!

Die Freude soll man um der Vögel willen lieben,

denn das bringt große Ehre ein.

 

Wir sollen tanzen, singen, lachen

den Frauen zu Gefallen.

So kann ein Mann erreichen,

dass sein Leben

wertvoll wird, wenn er in Treue dient

um edler Frauen Gunst. –

Doch wen sein Dienst danach gereut,

der wird nur selten seines Kummers wieder frei.

 

"Mit dem Wasser löscht man Feuer."

"Im Finstern ist die Sonne teuer." –

Beides ist wahr.

Hört mehr davon,

und für die Wahrheit bürge ich

mit meinem Leben:

"Nur eine Frau kann einem Mann

die Wunde seines Herzens heilen."

 

O weh, o weh, Frau Minne,

mir geht es schlecht.

Fühl doch an mir, wie sehr ich brenne! –

Kalter Schnee

müsste von der Hitze Feuer fangen,

die in meinem Herzen glüht.

Wenn, Minne, Du die Treue liebst,

so hilfst Du mir zur rechten Zeit.

 

 

 

07   CHRISTOPH MÄCHLER

Fröit iuch der vil lieben zît (Otto zum Turm, Ende 13.Jh.)

 

Fröit iuch der vil lieben zît,

werden, wolgemuoten jungen,

durch des liechten meien schîn!

Schouwent, wie diu heide lît:

liechte bluomen sint entsprungen.

man hoert kleiniu vogellîn

in dien ouwen uberal.

tröschel, lerch und diu zîse

doenent hügelîcher wîse

mit der frîen nachtegal.

 

Diu fröit sich des meien bluot

und der süezen sumerwunne,

diu sô hôhe fröide gît.

Sô fröit sich mîn sender muot,

daz mîns herzen spilnde sunne,

an der all mîn fröide lît,

sich für alle frouwen gar

sunder wanc in hôhgemüete

und mit reiner wîbes güete

hôhet als der adelar.

 

Den sîn adel und sîn art

in des lüftes wilde twinget,

dar kein vogel nie geflouc.

Zuo dem diu vil reine schart

ir muot, der nach êren swinget.

ir gebâren mich nicht trouc:

Dô ich sî von êrst an sach,

dô kôs ich des wunsches wunne,

mê dann ich besinnen kunne

an ir – si ist der saelden tach!

 

Freut euch an der wunderbaren Frühlingszeit,

ihr edlen, frohen jungen Leute,

der Mai erstrahlt im Sonnenschein!

Seht, wie die Heide vor uns liegt:

Leuchtende Blumen sind erblüht.

Man hört die kleinen Vöglein singen

in den Tälern überall.

Drossel, Lerche und der Zeisig

lassen froh ihr Lied erklingen

zusammen mit der hochgebornen Nachtigall.

 

Die freut sich an des Maien Blütenpracht

und der süßen Sommerwonne,

die so reiche Freude schenkt.

So freut sich auch mein sehnsuchtsvolles Herz,

dass meine strahlend helle Sonne,

die meine ganze Freude ist,

sich über alle Damen zweifelsfrei erhebt

mit ihrem frohen, stolzen Wesen

und der Reinheit edler Frauen,

so hoch, dass sie dem Adler gleicht.

 

Den drängt sein Mut und seine edle Art

in der Lüfte fernste Höhen,

die kein Vogel außer ihm erreicht.

Zu ihm gesellt die Edle, Reine

ihren Geist, der sich aufschwingt zu höchster Ehre.

Ihre Erscheinung trog mich nicht:

Schon als ich sie das erste Mal erblickte,

erwählte ich mit ihr die größte Wonne,

mehr als ich zu träumen wagte –

sie ist des Glückes Gipfel!

 


08   WÜNNESPIL

Sinc an, guldîn huon (Neidhart von Reuental, ca.1180-ca.1240)

 

"Sinc an, guldîn huon, ich gibe dir weize!" –

schiere dô

wart ich vrô –

sprach si, nâch der hulden ich dâ singe.

Alsô fröut den tumben guot geheize

durch daz jâr.

würde ez wâr,

sô gestuont nie mannes muot sô ringe,

alsô mir der mîne danne waere.

mac si durch er geilicheit

mîniu leit

wenden? – ja ist mîn kumber klagebaere!

 

Los ûz, ich hoer in der stuben tanzen!

junge man,

tuot iuch dan,

da ist der dorefwîbe ein michel trünne!

Dâ gesach man schône ridewanzen:

zwêne gigen,

dô si swigen,

– daz was geiler getelinge wünne –

seht, dô wart von zeche vor gesungen!

durch die venster gie der galm,

Adelhalm

tanzet niwan zwischen zwein vil jungen.-

 

Rûmet ûz die schämel und die stüele,

heiz die schragen

vuder tragen –

hiute sul wir tanzens werden müeder!

Werfet ûf die stuben, so ist ez küele,

daz der wint

an die kint

sanfte waeje durch diu übermüeder.

Sô die voretanzer danne swîgen,

sô sult ir alle sîn gebeten,

daz wir treten

aber ein hovetänzel nâch der gîgen.

 

Gôzbreht, Willebolt, Gumpreht und Eppe,

Willebreht,

meiers kneht,

Werenbolt und ouch der junge Tuoze.

Megenbolt, des meiers sun, und Reppe,

Irenwart,

Brohselhart,

dar nâch springet der vil wilde Ruoze,

derst ein tumber, geiler Holingaere –

er gêt frîen durch daz jâr,

des nemt wâr,

und ist doch den meiden gar unmaere!

 

Imst sîn treie nie sô wol zerhouwen

noch sîn kel

nie sô hel,

er enmüge sî sîn wol erlâzen!

Disen sumer hât er sî gekouwen

gar für brôt –

schamerôt

wart ich, dô si bî ein ander sâzen.

Wirt si mir, der ich dâ gerne diene,

guotes gibe ich ir die wal:

Riuwental

gar für eigen – da ist mîn Hôhiu Siene!

 

 

"Sing, mein goldnes Huhn, ich geb dir Weizen!" –

Und sogleich

wurd ich froh,

als sie das sprach, um deren Gunst ich singe.

So freut den Narrn ein liebliches Versprechen

das ganze Jahr hindurch.

Erfüllt' es sich,

es würde keines Mannes Herz

so leicht, wie meines wäre.

Kann sie mit ihrer Fröhlichkeit

mein Leid noch wenden? –

Ach ja, mein Kummer ist beklagenswert!

 

Aufgepasst, ich höre Tanz im Bauernsaal!

Los Jungs,

nichts wie hin,

da sind die Dorfmädchen gleich im ganzen Schwarm!

Da sieht man einen schönen Riedewanz:

Zwei spielen Fiedel,

und wenn die mal ruhig sind,

wird der Reihe nach gesungen –

die wahre Freude dieser ausgelassnen Sippe!

Durch die Fenster dröhnt der Lärm,

Adelhalm

tanzt immer nur zwischen zwei ganz jungen.

 

Räumt die Schemel und die Stühle 'raus,

tragt die Tischgestelle fort –

heute wollen wir uns müde tanzen!

Reißt die Fenster auf, so wird es kühl,

dass der Wind

den Mädchen sanft

die Oberteilchen lüftet.

Und sobald die Reigenführer nicht mehr singen,

sollt ihr alle aufgefordert sein,

mal ein höfisch' Tänzchen

zu meiner Fiedel mitzuschreiten.

 

Goßbrecht, Willebold, Gumprecht und Eppe,

Willebrecht,

des Meiers Knecht,

Werenbold und auch der junge Tutze.

Megenbold, des Meiers Sohn, und Reppe,

Irenwart,

Brochselhard,

und dahinter springt der wilde Rutze,

ein dummer, geiler Kerl aus Holling –

das ganze Jahr ist er hinter den Mädchen her,

doch wohlgemerkt:

Keine sieht sich nach ihm um!

 

So schön ist seine Jacke wirklich nicht geschlitzt,

noch sein Gesang

so hell und rein,

dass er sie nicht damit verschonen könnte!

Wie Brot hat er sie gekaut

den ganzen Sommer lang –

ich wurde rot vor Scham,

wenn sie beieinander saßen.

Würde sie mein, der ich so gerne diene,

ich geb ihr alles, was ich hab:

Reuental

ganz zu Besitz – dort ist mein stolzes Siena!

 

09   GISBERT OSTERMANN

Der eitle Gockel (nach Neidhart von Reuental, ca.1180-ca.1240)

 

Die, der ich gedient seit frühsten Tagen,

der ich weiter treu ergeben bin,

der ich folgen will in Freud und Leide

auf immerdar –

sie sei gelobt! Ja, ich bin froh,

dass ich den Weg zu ihr einst fand.

Fühl ich doch mein Herz für sie nur schlagen!

Nie ging mir die Zeit doch leichter hin,

als wenn ich sie stolz im Festtagskleide

spazieren sah,

da fühlte ich mich reicher als ein Herr auf eignem Land.

Nein, ich kann doch niemals von ihr lassen,

ich will's gestehn!

Sonne und Mond verblassen

in ihrer Schönheit hellem Glanz. Das kann ein jeder sehn!

 

Wer mir meiner Herrin Gunst will stehlen,

der hör zu, ich sag es jetzt ganz klar,

dass ich ihm gleich seine Grenzen zeige,

wie gestern früh

diesem Herrn, der über mich bei ihr nur Übles sprach.

Friedenslieb, dem jetzt die Zähne fehlen,

was das für ein eitler Gockel war!

Glaubte, er spielt gleich die erste Geige

ganz ohne Müh!

Dafür gibt's ganz dick aufs Maul

und noch 'ne Faust kommt nach!

Sie hat gar sein Flüstern noch geduldet,

oh, das tut weh!

Sie hat's doch selbst verschuldet,

dass ich zum Knüppel greife, wenn ich solche Kerle seh!

 

(Nachdichtung: Lothar Jahn)

 

Mhd. Originaltext:

 

Der ich her gedienet hân von kinde

und noch ouch in dem willen bin,

daz ich wil belîben an ir staete

vil mangen tac,

sô wol mich, daz ich si ie sô minneclîchen vant!

Sî ist mînes herzen ingesinde.

diu wîle gêt mir schône hin,

swenne ich sî in wolgetâner waete

gesehen mac.

sô dünk ich mich rîcher, danne ich hiete ein eigen lant.

Ich gesach nie wîp sô wolgetâne,

des muoz ich jehen.

sunne und ouch der mâne

gelîchent sich der schoenen niht, od ich enkan niht spehen.

 

Der mir mîner frouwen hulde erwende,

der wizze daz, wirt mir sîn stat,

daz ich im ein punkelîn erzeige,

als ich hiwer tet

einem gouche, der mîn ouch niht wol hin zir gewuoc.

Frideliep, sô wê dir dîner zende! –

du bist der gogelheit sô sat,

daz du wil, swar sich dîn houbet neige

durch mînne bet,

daz dir iemen iht versage – owê, daz im vertruoc

Elsemuot sîn üppeclîch geriune,

des er dâ phlac!

ir sint leider niune,

die mir daz geu verbietent mangen liehten vîretac.

 

 

10   OLAF CASALICH

Der Fuchs und der Rabe (Der Kanzler, 13.Jh.)

 

Ein fuhs zuo einem rappen sprach,

der hôch ûf einem boume saz

und truoc ein kaese in sînem snâbel:

"her rappe, ir sint gar kluoc!

 

Sô schoenen vogel ich nie gesach,

nie lerche noch galander baz

gesanc danne ir, sus ich niht zabel –

ich hôrt ez gerne genuoc!"

 

Der rappe dur den valschen prîs

mit lûter stimme im sînen sanc erbôrte.

des viel der kaese im underz rîs –

in krift der fuhs, den sanc er gerne hôrte!

 

Sus gebent guot toerscher herren vil

dur valschez lop, dur smeichen, liegen, triegen.

wol fuogt den affen tôren spil –

ez gebent die narren gerne ir guot den giegen!

 

 


Ein Fuchs zu einem Raben sprach,

der hoch auf einem Baume saß

und einen Käse in seinem Schnabel trug:

"Herr Rabe, wie seid Ihr herrlich anzuschauen!

 

Wahrlich, einen schöneren Vogel sah ich nie zuvor,

und weder Lerche noch Nachtigall singen besser als Ihr!"

 

Der Rabe durch das falsche Lob

mit lautem Krächzen zum Gesang anhob.

Da fiel der Käse ihm ins Gebüsch –

den griff der Fuchs, den Gesang hörte er gern!

 

So geben viele dummen Herren

durch falsches Lob, durch Schmeicheln, Lügen, Trügen.

Gut passt zum Affen das törichte Spiel –

die Narren geben gern ihr Gut dem, der sie narrt!

 

(Übersetzung: Olaf Casalich)

 

 

11   DULAMANS VRÖUDENTON

Falkenlied-Parodie (Mönch von Salzburg, 14.Jh.)

 

Ich het zu hant geloket mir

ain falken waidenleichen –

das hat verloren all sein gir

und tuet sich von mir streichen.

Hiet ichs gepaist noch meinem muet,

es wär als wild nie worden.

das tet ich nicht und lies durch guet,

darumb han ichs verloren. –

Es ist mir worden ungezäm,

das tut mir we in herzen.

gar übel ich im des gan,

es kund wol wenden smerzen.

 

West ich sein strich, ich volgt im nach,

ob ich es möcht gewinnen.

chain vederspil ich nie gesach,

das sich tät minner swingen.

Es wust sein vart, wie weit es gieng

und hat sich doch verflogen

mit ainem trappen, der es fieng:

der hat mein fälklein betrogen! –

Hiet ichs gepaist noch meinem muet,

es wär als wild nie worden.

das tet ich nicht und lies durch guet,

darumb han ichs verloren.

 

Nu trauw ich allen waidgesellen,

die habent mirs versprochen,

das si den trappen paissen wellen,

pis das ich werd gerochen.

Fürbas ich mir stellen wil

allain nach edelm vederspil,

das sich nicht tuet verfliegen

und kainen fürbas betriegen! –

Hiet ichs gepaist noch meinem muet,

es wär als wild nie worden.

das tet ich nicht und lies durch guet,

darumb han ichs verloren.

 


Ich hatt' mir auf die Hand gelockt

einen schönen, edlen Falken –

der hat zur Jagd all seine Lust verlorn

und streicht mir jetzt davon.

Hätt' ich ihn abgerichtet mir nach Wunsch,

er wär nie wieder wild geworden.

Doch tat ich's nicht und war zu gut zu ihm,

drum hab ich ihn verloren. –

Er ist bei mir nicht zahm geblieben,

das tut mir weh im Herzen.

Ich gönn's ihm nicht,

doch er allein könnt' heilen meine Schmerzen.

 

Wüsst' ich den Weg, ich folgt' ihm nach,

ob ich ihn nicht zurückgewinnen könnte.

Nicht einen Falken sah ich je,

der schöner in die Lüfte sich erhob.

Er wusst' genau, wie weit er fliegen sollte

und hat sich doch verflogen

zu einer Trappgans, die ihn fing:

Die hat mein Fälklein mir verführt! –

Hätt' ich ihn abgerichtet mir nach Wunsch,

er wär nie wieder wild geworden.

Doch tat ich's nicht und war zu gut zu ihm,

drum hab ich ihn verloren.

 

Nun vertraue ich auf meine Jagdgefährten,

dass sie, wie sie's versprochen haben,

die Trappgans mir zur Strecke bringen,

um mich an ihr zu rächen.

Von jetzt an stelle ich nur noch

edelsten Falken nach,

die sich niemals verfliegen

und niemanden betrügen! –

Hätt' ich ihn abgerichtet mir nach Wunsch,

er wär nie wieder wild geworden.

Doch tat ich's nicht und war zu gut zu ihm,

drum hab ich ihn verloren.

 

 

12   VINKOOP

Der Vogel Krappaney (Hermann Damen, um 1300)

 

Ein vogel Krappanye ist genant –

nu lazent uch daz kunden,

in welher achte ste sin leben

und waz sin natiure ist.

Her kümet nimmer of daz lant –

of wagen unde of unden

muoz er vliegen, muoz er sweben,

daz wil von im han Krist.

Den wach er nimmer me vürbirt:

swen Kristes nacht im kundich wirt,

so strebet er nach dem lande

und het den snabel of daz lant.

daz ist mir von im bekant,

lüge ich ez, des het ich schande! –

Swen daz ein schif vürterben sol

und ouch daz volc dar inne,

die stunde weiz er unde die zit.

Waz er dan tuot, daz weiz ich wol:

in herzichlicher minne

vliuget her zuo in unde schrit.

 

Ein Vogel, der heißt Krappaney –

nun lasst euch das erzählen,

in welcher Art sein Leben zu uns steht

und was seine Natur ist.

Er kommt niemals an Land –

über Meer und über Wellen

muss er fliegen, muss er schweben,

so wie es Christus von ihm haben will.

Die Wache unterlässt er nie:

Wenn ihm die Kunde von der Christnacht kommt,

strebt er dem Land entgegen

und hält den Schnabel auf die Küste zu.

Das weiß ich über ihn,

und lög ich es, so sollt' ich Schande dafür haben! –

Doch wenn ein Schiff soll untergehn

und auch das Volk darin,

kennt er die Stunde und die Zeit.

Was er dann tut, das weiß ich wohl:

In herzlicher Liebe

fliegt er herbei – und schreit.

 

 

13   KNUD SECKEL

Lerchenlied (Bernart de Ventadorn, ca.1130-ca.1200)

 

Can vei la lauzeta mover

de joi sas alas contra·l rai,

que s'oblid'e·s laissa chazer

per la doussor c'al cor li vai,

– ai! – tan grans enveya m'en ve

de cui qu'eu veya jauzion,

meravilhas ai, car desse

lo cor de dezirer no·m fon.

 

Ai, las! tan cuidava saber

d'amor, e tan petit en sai!

car eu d'amar no·m posc tener

celeis don ja pro non aurai.

Tout m'a mo cor, e tout m'a me,

e se mezeis e tot lo mon –

e can se·m tolc, no·m laisset re

mas dezirer e cor volon.

 

Merces es perduda, per ver

– et eu non o saubi anc mai – ,

car cilh qui plus en degr'aver,

no·n a ges, et on la querrai?

A! can mal sembla, qui la ve,

qued aquest chaitiu deziron

que ja ses leis non aura be,

laisse morir, que no l'aon!

 

 

 

Wenn ich die Lerche sehe,

wie sie die Flügel voller Freude gegen den Strahl der Sonne schwingt

und sich dabei vergisst und fallen lässt

wegen der Süße, die ihr Herz bewegt,

– ach! – dann wächst in mir so großer Neid

auf jeden, den ich so in Freude sehe

und bin erstaunt, dass mir mein Herz

nicht alsogleich vor Sehnsucht schmilzt.

 

Ach weh! – So viel glaubte ich zu wissen

von der Liebe, und so wenig weiß ich über sie!

Denn ich kann es nicht lassen, sie zu lieben,

von der ich niemals eine Gunst erlangen werde.

Sie hat mein Herz von mir genommen und mich dazu,

sich selbst und überhaupt die ganze Welt –

und als sie sich mir nahm, ließ sie mir nichts zurück

als Sehnsucht und Begierde.

 

Wahrlich, die Gnade ist verloren

– und ich hab es bisher nicht gewusst – ,

denn sie, die Gnade mir gewähren könnte,

besitzt sie nicht, und wo sollt' ich sie suchen?

Ach, wie unfassbar scheint dem, der sie sieht,

dass sie mich armen Sehnsuchtskranken

ohne Hilfe sterben lässt,

der niemals ohne sie genesen wird!

 

 

Der winter waere mir ein zît (Dietmar von Aist, um 1170)

 

Der winter waere mir ein zît

sô rehte wunneclîchen guot,

wurde ich sô saelic, daz ein wîp

getrôste mînen seneden muot.

Sô wol mich danne langer naht,

gelaege ich alse ich willen hân! –

si hât mich in ein trûren brâht,

des ich mich niht gemâzen kan.

 

"Wie tuot der besten einer sô,

daz er mîn senen mac vertragen? –

ez waere wol, und wurd ich frô,

sich enkunde nieman baz gehaben.

Wê, daz mir leit von dem geschiht,

der an mîn herze ist nâhe komen!

waz hilfet zorn, swenne er mich siht,

den hât er schiere mir benomen.

 

Swer mêret die gewizzen mîn,

dem wil ich dienen, obe ich kan –

und wil doch mannen fremede sîn,

wand ich ein senede herze hân.

Ez waere mir ein grôziu nôt,

wurde er mir âne mâze liep.

sô taete sanfter mir der tôt,

liez er mich des geniezen niet."

 


Der Winter wär mir eine Zeit,

so angenehm und mild und gut,

wenn ich so glücklich würde, dass die Frau,

an die ich denke, meine Sehnsucht stillt.

Dann sei gepriesen mir die lange Nacht,

in der ich liegen könnte, wie ich wollte! –

Doch hat sie mich in eine Traurigkeit versetzt,

der ich mich nicht erwehren kann.

 

"Wie kommt's, dass er, der Besten einer,

mein Sehnen so geschehen lässt? –

Es wäre gut, wenn er mich glücklich werden ließ,

dann könnt' es niemandem wohl besser gehn.

Ach, dass mir von ihm Leid geschieht,

der meinem Herzen nahe kam!

Was hilft mir Zorn? – Sobald er mich ansieht,

hat er ihn gleich wieder von mir genommen.

 

Wer mich an Geist und Bildung wachsen lässt,

dem will ich dienen, wenn ich kann –

und will von andren Männern fern mich halten,

wenn Sehnsucht mir das Herz erfüllt.

Es wär mir eine große Not,

würd' er mir über alle Maßen lieb.

Dann täte sanfter mir der Tod,

lohnt' er mir meine Liebe nicht."

 

 

14   JOCHEN FAULHAMMER

Der vogele schal (Walther von der Vogelweide, ca.1170-ca.1230)

 

Uns hât der winter geschadet über al:

heide unde walt sint beide nû val,

dâ manic stimme vil suoze inne hal.

Saehe ich die megde an der strâze den bal

werfen, sô kaeme uns der vogele schal.

 

Möhte ich verslâfen des winters zît!

wache ich die wîle, sô hân ich sîn nît,

daz sîn gewalt ist sô breit und sô wît. –

Weiz got, er lât ouch dem meien den strît:

sô lise ich bluomen, dâ rîfe nû lît.

 

Nun schickt der Winter uns bitterste Qual.

Heide und Wald sind nun beide so fahl.

Süßer Gesang bleibt jetzt ganz ohne Hall.

Und selbst die Mädchen werfen nicht mehr den Ball.

Längst ist verklungen der Vögelein Schall.

 

Könnt ich verschlafen des Winters Zeit!

Denn wenn ich wach bin, find ich nur Streit.

Seine Gewalt ist so groß, reicht so weit.

Er hat die Wunder der Welt zugeschneit.

Werden wir je von der Kälte befreit?

 

(Nachdichtung: Lothar Jahn)

 

 

Uns hat der Winter viel Schaden gebracht:

hat Heide und Wald ihrer Farbe beraubt,

wo mancherlei Stimme so lieblich erklang.

Säh ich die Mädchen am Wege den Ball

werfen, dann käme zurück auch der Vögel Gesang.

 

Könnt' ich den Winter nur verschlafen!

Solange ich wach bin, hasse ich ihn,

denn seine Macht ist so groß und so weit. –

Doch weiß Gott, eines Tages hat der Mai gesiegt:

Dann pflück ich Blumen, wo der Schnee jetzt liegt.

 

 


15   WILFRIED STAUFENBIEL

Winterklage (Reinmar von Hagenau, Ende 12.Jh.-ca.1210)

 

Mir ist ein nôt vor allem mînem leide,

doch durch disen winter niht.

Waz darumbe, valwet grüeniu heide? –

solher dinge vil geschiht,

der ich aller muoz gedagen –

ich hân mê ze tuonne danne bluomen klagen!

 

Swie vil ich gesage guoter maere,

sô ist nieman, der mir sage,

wenne ein ende werde mîner swaere,

dar zuo maniger grôzen klage,

diu mir an daz herze gât –

wol bedörfte ich wîser liute an mînem rât.

 

Niender vinde ich triuwe, daz ist ein ende,

dâ ich si doch gedienet hân!

Guoten liuten leit ich mîne hende –

wolten siu ûf mir selben gân,

des waere ich vil willic in.

ôwê, daz mir nieman ist, als ich im bin!

 

Wol den ougen, die sô welen kunden,

und dem herzen, daz mir riet

an ein wîp: diu hât sich underwunden

guoter dinge und anders niet.

Swaz ich durch si lîden sol,

daz ist kumber, den ich harte gerne dol.

 


Ich leide eine Not vor allem andren, was mich schmerzt,

doch nicht durch diesen Winter.

Was soll's, dass grüne Heide grau sich färbt? –

Solcherlei geschieht zu oft,

darüber will ich stille schweigen.

Ich habe mehr zu tun als Blumen zu beklagen.

 

Wie viel ich selbst an guter Kunde bringe,

so ist doch niemand, der mir sagen kann,

wann wohl mein Leid ein Ende hat

und all die vielen Klagelieder,

die mir das Herz zerreißen –

Rat und Hilfe weiser Leute nähm ich gerne an.

 

Nirgends find ich Treue, das steht fest,

und habe sie mir doch so sehr verdient!

Edlen Menschen reicht' ich meine Hände –

würde mir doch ebenso geschehen,

das wär mein größter Wunsch.

O weh, dass niemand ist zu mir wie ich zu ihm!

 

Dank sei den Augen, die so gut zu wählen wussten

und dem Herzen, das mir riet

zu dieser Frau,

die nur den allerbesten Dingen zugetan!

Was immer ich um ihretwillen leiden muss,

ist Schmerz, den ich so liebend gern erdulde.

 


16   MARCUS VAN LANGEN

Unter den Linden (Walther von der Vogelweide, ca.1170-ca.1230 / Carmina Burana, 13.Jh.)

 

Under der linden

an der heide,

dâ unser zweier bette was,

dâ mugt ir vinden

schône beide

gebrochen bluomen unde gras.

Seht, wie rôt mir ist der munt! –

Maledicantur thyliae,

maledicantur thyliae,

maledicantur thyliae –

schône sanc diu nahtegal.

 

Ich kam gegangen

zuo der ouwe,

dô was mîn friedel komen ê.

Dâ wart ich enpfangen

– hêre frouwe! – ,

daz ich bin saelic iemer mê.

Seht, wie rôt mir ist der munt! –

Maledicantur thyliae,

maledicantur thyliae,

maledicantur thyliae –

schône sanc diu nahtegal.

 

Von bluomen eine bettestat –

kumt iemen an daz selbe pfat:

Bî den rôsen er wol mac,

merken wâ mirz houbet lac.

Seht, wie rôt mir ist der munt! –

Maledicantur thyliae,

maledicantur thyliae,

maledicantur thyliae –

schône sanc diu nahtegal.

 


Unter der Linde

an der Heide,

wo unser beider Bett war,

da könnt ihr finden,

schön anzusehen,

gepflückte Blumen und Gras.

Seht wie rot mir ist der Mund! –

Verflucht solln sein die Linden,

verflucht solln sein die Linden,

verflucht solln sein die Linden –

schön sang die Nachtigall.

 

Ich kam gegangen

zu jener Wiese,

mein Liebster war schon vor mir da.

Dort wurde ich empfangen

– Heilige Jungfrau! – ,

dass ich für immer glücklich bin.

Seht wie rot mir ist der Mund! –

Verflucht solln sein die Linden,

verflucht solln sein die Linden,

verflucht solln sein die Linden –

schön sang die Nachtigall.

 

Ein Bett aus lauter Blumen –

wer daran vorübergeht,

kann noch an den Rosen sehen,

wo mein Kopf lag.

Seht wie rot mir ist der Mund! –

Verflucht solln sein die Linden,

verflucht solln sein die Linden,

verflucht solln sein die Linden –

schön sang die Nachtigall.

 


17   MEISTER FRAUENLOB

Falkentraum (aus dem Nibelungenlied, um 1200)

 

In disen hôhen êren      troumte Kriemhilde,

wie si züge einen valken,      starc, schoene und wilde,

den ir zwêne arn erkrummen –      daz si daz muoste sehen! –

ir enkunde in dirre werlde      leider nimmer geschehen.

 

Den troum si dô sagete      îr muoter Uoten.

sine kundes niht bescheiden      baz der guoten:

"der valke, den du ziuhest,      daz ist ein edel man –

in welle got behüeten,      du muost in schiere verloren hân."

 

"Waz saget ir mir von manne,      vil liebiu muoter mîn? –

âne recken minne      sô wil ich immer sîn.

sus schoene ich wil belîben      unz an mînen tôt,

daz ich von mannes minne      sol gewinnen nimmer nôt!"

 

"Nu versprich ez niht ze sêre!",      sprach aber ir muoter dô,

"soltu immer herzenlîche      zer werlde werden frô,

daz geschiht von mannes minne.      du wirst ein schoene wîp,

ob dir noch got gefüeget      eins rehte guoten ritters lîp."

 

"Die rede lât belîben",      sprach si, "frouwe mîn!

ez ist an manegen wîben      vil dicke worden schîn,

wie liebe mit leide      ze jungest lônen kann –

ich sol si mîden beide,      sone kan mir nimmer missegân!"

 

 

Umgeben von ritterlicher Pracht und Ehre träumte Kriemhild,

wie sie sich einen Falken zog, stark, schön und wild.

Den rissen ihr zwei Adler – ach, dass sie das mitansehn musste! –

Ihr konnte auf der Welt kein größres Leid geschehen.

 

Den Traum erzählte sie sogleich ihrer Mutter Ute,

und diese hätte ihn nicht besser deuten können:

"Der Falke, den du dir erziehst, das ist ein edler Mann –

wenn Gott ihn nicht behütet, wirst du ihn bald wieder verlieren."

 

"Was redet Ihr von einem Mann, meine liebste Mutter? –

Auf die Liebe eines Helden will für immer ich verzichten.

So rein und schön wie jetzt will ich bleiben bis an mein Lebensende,

auf dass durch eines Mannes Liebe mir niemals Leid gescheh'!"

 

"Leg dich darauf nur nicht zu fest!", sprach ihre Mutter wiederum,

"Wirst du jemals von Herzen glücklich auf der Welt,

geschieht es durch die Liebe eines Mannes. –

Wenn Gott dir einen wirklich edlen Ritter schenkt, so wirst du eine schöne Frau."

 

"Lasst Eure Worte", sprach sie, "meine Herrin!

es ist an vielen Frauen offenbar geworden,

wie Liebesfreude wird bezahlt mit Leid –

von beidem will ich fern mich halten, dann wird's mir niemals schlecht ergehn!"

 

 

18   DAGMAR JAHN

Lerchenlied (Ausklang) (Bernart de Ventadorn, ca.1130-ca.1200)

 

Seht ihr die Lerche droben ziehn,

die sich voll Lust zur Sonne schwingt.

Sie kann vergessen, kann entfliehn,

wenn Freude ihre Brust durchdringt.

Ach, oft bringt der Neid mir Schmerz,

weil mir das Glück nie ganz gelingt,

dass ich mich wundre, dass mein Herz

nicht vor Begierde mir zerspringt.

 

(Nachdichtung: Lothar Jahn)

 

 

 

 

 

 

Anmerkung des Übersetzers:

Die Liedtexte und ihre Übersetzungen folgen weitgehend dem gesungenen Wortlaut der Interpreten und können daher von den handschriftlichen Quellen und germanistischen Editionen abweichen.