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innesang.com: Bibliothek der Minnesänger

                                                                              

Frauenlob Manesse-Bild

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Wizlaw auf CD:
I Ciarlatani
MUSIKTHEATER DINGO: Wizlaw, der Verführer
- Die Musik zum Wizlaw-Singspiel mit vielen Wizlaw-Liedern, gesungen in neuhochdeutschen Nachdichtungen
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Binkley
THOMAS BINKLEYS STUDIO FÜR FRÜHE MUSIK: Troubadours, Trouvères Minstrels
- Hier gibt es eine wunderbar harmonische Fassung von "Loibere risen" und die kunstvoll-melismatische Ermahnung der Jugend

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Anno Domini
ANNO DOMINI: Stauferzeit
- Hier findet sich Wizlaws bekanntestes Lied "Loibere risen" 
Bestellen beim Verlag der Spielleute

Ioculatores: Ioculatores
IOCULATORES: Ioculatores
- Eine glanzvolle Instrumentalversion von Wizlaws "Der herbest kumpt" im vollen Bläserklang
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Burg Falkenstein
BURG FALKENSTEIN: Minnesänger-Wettstreit 2005
- Neben Klassikern des Minnesangs erklingen auch vier Wizlawlieder: Hans Hegner und Vinkoop verbinden "Der unhelarte" und "Nach der senenden claghe", Frank Wunderlich singt "Loibere risen" einmal ohne Binkleys melodische Glättung, dazu "Der Herbst kommt" mit Musiktheater Dingo
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Minne im Mayen
DIVERSE: Minne im Mayen
- Jochen Faulhammer singt "Der walt unde anger", Reinhold Schmidt das sehr erotische Mailied "Nun dann, Herr Maie" ("wol dan her meyie") und Musiktheater Dingo "Die Erde ist erschlossen" ("de erde ist untslozen")
. Dazu viele ander Frühlingslieder von Neidhart, Otto zum Turm u.a.
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WIZLAW (VON RÜGEN)
von Dr. Lothar Jahn

Am Ende des 13. Jahrhunderts, als der Minnesang schon nicht mehr die wichtige Rolle an den Höfen spielt, taucht noch einmal ein Sänger auf, der Herausragendes leistet. Sein Name ist Wizlaw, und er ist von großer Vielseitigkeit, vor allem was die musikalische Seite angeht. Sein Schaffen ist ausschließlich in der Jenaer Liederhandschrift überliefert. 

Er ist die Stimme Norddeutschlands im Kreis der Minnesänger. Als Dichter - noch mehr als Musiker - hat er Werke geschaffen, die die Tradition aufgreifen und weiterentwickeln, oft auch eine eigene Note ins Spiel bringen. Sein unverkrampftes Verhältnis zu Liebe und Sexualität, sein Widerspruchsgeist, seine manchmal überschäumende Lebensfreude setzen einen erfrischenden Gegenpol zum Leidensethos des Minnesangs, dessen Formensprache er sich gleichwohl mit Kunstfertigkeit bedient.

So ist die aus der französischen Troubadourdichtung stammende "Kanzone" (auch als "Bar-Form" bekannt) das Grundmodell aller seiner Strophen: Sie besteht aus einem "Aufgesang" zweier gleich gebauter Teile ("Stollen") und einem "Abgesang", der meist länger ist als ein Stollen, aber kürzer als der gesamte Aufgesang. Diese AAB-Form wurde später auch von den Meistersängern gepflegt. Wizlaw verwendet oft die "Rundkanzone", eine Form AABA', bei der im Abgesang Elemente des Aufgesangs entweder identisch oder variiert wieder auftauchen. Es ist üblich, das Werk Wizlaws aufzuteilen in die ausschließlich einstrophigen Spruch-Gesänge (14 Strophen in vier Tönen, sollte man das "Ich wil singen", das auch Friedrich zu Sonnenburg zugeschrieben wird mitzählen, dind es 15 Strophen in 4 Tönen) und die 13 meist 3-strophigen Minnelieder. 

Hier im einzelnen die von Wizlaw aufgegriffenen Formen und Inhalte:

SPRUCHGESÄNGE

Geistliche Gesänge

Lieder, die geistliche Inhalte zum Thema haben, auf biblische Motive und Texte zurückgreifen und Gott preisen. Wizlaw verwendet diese meist in einer sehr persönlichen Form, die den Preis Gottes zu eigenen Notlagen in Beziehung setzen. Besonders zu Herzen gehend: das besinnliche Lied "Dyse heilige zyt"!

Moralische Anklagen
Eine Form des Spruchgesangs, die von anderen Minnesängern oft als (gesellschafts-)politische Propaganda im Dienste ihrer jeweiligen Herren konzipiert wurde. Wizlaw geißelt in bewährter Walther-Manier Bosheit und Neid. Herausragend und das mittelalterliche Denken fast schon sprengend ist der Spruchgesang "Mir geschiht niht wan mir schaffen ist", der ironisch und böse die Schicksalsergebenheit seiner Zeitgenossen anprangert.

Das Rätsel
Ein Lied als Anreiz zu einer Art Gesellschaftsspiel: der Zuhörer soll erraten, was der Sänger gemeint hat. Über die Auflösung von Wizlaws Rätsel streitet die Wissenschaft bis heute.

Das Preislied
Eine Lobpreisung einer hochgestellten Persönlichkeit und ihrer Tugenden. Der Fürst Wizlaw von Rügen wurde selbst in Liedern des Goldeners und des Sängers Frauenlob gepriesen. Der Sänger Wizlaw richtet sein Preislied an den Herrn von Holstein, übrigens ein Bekannter des Rügenfürsten.  Gleichwohl wird dieses Preislied als ein Hauptargument gegen eine Identität von Sänger und Fürst gesehen: Ein Fürst hätte es doch nicht nötig, eine gleichrangige Persönlichkeit zu loben wie ein auf "milte" angewiesener fahrender Sänger.

Ermahnnung
Ein herausragendes Werk Wizlaws ist seine kunstvoll-melismatisch gesetzte Mahnung an den jungen Mann, zum rechten Maß und zur rechten Tugend zu finden. Während die anderen Sangsprüche mit eher einfachen und eingängigen Melodien gesetzt sind, ist hier hohe Sangeskunst gefordert.

MINNELIEDER

Die sehnende Klage
Minnelieder im engeren Sinne, die die unerfüllte Sehnsucht zum Inhalt haben. Wizlaw beklagt in einem Lied, das ihm solche Lieder nicht gelingen wollen ("Der unghelarte..."), um dann aber doch eine herrlich sehnende Klage in pentatonischer Melodik mit unerwartet großem Tonumfang anzuschließen, die das "lieplich aventiure" der Liebe feiert.

Das Frühlingslied
Lieder, die den Mai und die erwachende Natur preisen. Die meisten Minnelieder Wizlaws entwickeln aus einer ersten Strophe der Naturschilderung die Preisung einer schönen Frau, um in der dritten Strophe dann die Erfüllung erotischer Sehnsüchte mehr oder weniger deutlich anzudeuten.  So z.B. im Lied "Meyie scone", in dem die Schönheit des Maien nur als Vision im Winter auftaucht, der allerdings für seine der Liebe zugewandten langen Nächte gerühmt wird. Noch deutlicher wird er in "Wol dan her meyie"

Das Herbstlied
In seinem berühmtesten Lied "Loibere rîsen" setzt er den Verfall der Natur das Glück mit der Geliebten entgegen. Ein weiteres Herbstlied preist in der Tradition Neidharts und Steinmars die Freuden des Essens und Trinkens zur Erntedank-Zeit.

Das Tagelied
Eine Form des Minneliedes, die das Erwachen von Ritter und Geliebter nach einer verbotenen und heimlichen Liebesnacht schildert. Der Ruf des Wächters trennt die Liebenden. Wizlaw fast nüchterner Text über diesen Abschied steht in reizvollem Kontrast zur melismatisch-kunstvollen melodischen Gestaltung in französischer Tradition.

Notenbeispiel Wizlaws Tagelied
Wizlaw von Rügen Reiter
Wizlaw von Rügen, Reiter

Lebensdaten:
Neben der aus seinem Werk erschließbaren zeitlichen Einordnung Ende des 13. Jahrhunderts gibt es keine eindeutig verifizierbaren Hinweise auf sein Leben. Eine Identität mit dem Rügenfürsten Wizlaw III. ist aber denkbar. Dieser wurde um 1265 geboren und trat 1302 gemeinsam mit seinem Bruder Sambor die Nachfolge des jahrzehntelangen Herrschers Wizlaw II. an. Sambor und er zerstritten sich völlig und mussten durch ihre Mannen per Dokument zum Frieden verpflichtet werden. Sambor starb 1304, Wizlaws Herrschaft wird überschattet durch viele Kriege an der Seite des dänischen Königs gegen die aufstrebenden Städte der späteren Hanse, vor allem Stralsund. 1325 stirbt Wizlaws einziger Sohn Jaromar, wenig später stirbt auch Wizlaw, das Fürstengeschlecht derer zu Rügen endet mit ihm.

Überliefertes Notenmaterial:
Sangspruchtöne I - IV (evt. auch als 5. "Ich wil singhen", das auch Friedrich von Sonnenburg zugeschrieben wird)

Minnelieder:
- De erde ist untslozen
- De voghelin untphat des lechten meyien scin
- Nach der senenden claghe muoz ich singhen
- Wol dan her meyie
- Der unghelarte hat ghemachet eyne senende wise
- Ich parterre dich durch mine vrowen
-  Wol uph ir stolzen helde
- Meyie scone kum io tzuo
- Der walt und angher lyt ghebreyt
- Loibere risen
- Listu in der minne dro
- We ich han gedacht
- Der herbest kumt 

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LIEDBEISPIELE VON WIZLAW

"Mir geschiht niht wan mir schaffen ist,"
"ez muoz nu sîn," disiu list
diu bringet manigen man dârzuo,
daz er sich selben triuget.
"Geschaffen" und "ez muoz doch sîn:"
hśret disiu tôrelîn,
wie sie liegent unt der werlt diu wort,
valsch von in vliuget.
Tuont sie ein leit,
sie sint geveit,
unt jent: "diz muoz sô wesen."
des mak niht sîn,
nu merket mîn,
ezne wart nie gelesen
an worten, noch an buochen kraft.
wâr nement die tôren dîsen haft,
daz sie die liute triegent sus?
ir sin sie selbe an liuget.

"Ich nehm vom Schicksal alles hin,
Wofür ich nur geschaffen bin!"
Nun hört Euch dies Geschwätz nur an,
wie Toren sich belügen.
"Geschaffen" und "des Schicksals Macht",
So klingt's wenn einer unbedacht
Sich in die Lügen dieser Welt
will dumm und träge fügen.
Das schlimmste Leid,
Der dümmste Streit
Kann gar nicht anders enden?
Da ruf ich: "Nein!
So darf's nicht sein!
Ich will mein Schicksal wenden!"
Und wenn's in keinen Büchern steht
Und keiner sagt, wie's richtig geht,
Dann spreng ich diese Fesseln doch
 von Blindheit und von Lügen.

Sie schôz mich durch diu ougen in daz herze,
enzündet, sam ein kerze,
weldiklîchen zuo gevlogen,
Sus beroubet sie mich mîner sinne,
diu minniklîche minne;
seht, wie sie hat mich betrogen!
Wen diu liebelîche
wâge stellet
und in minne sellet,
sô der herze
liebe wol gevellet,
liep durch liep gezogen.

Sie traf mich durchs Auge tief ins Herze,
Sie entflammte die Kerze
Heftig, dem entkommt man nicht.
So beraubte sie mich meiner Sinne,
Ach, die liebliche Minne
Nahm mir schließlich jede Sicht.
Liegt am Schluss das Herz nur
auf der Waage,
Was soll dann die Klage?
Liebste, du weißt doch, dass ich nur noch             Liebliches sage,
Lieb' lockt Lieb' ans Licht.  

Originale: Jenaer Liederhandschrift, 14. Jh.
Nachdichtungen: Lothar Jahn 2002


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