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Frauenlob Manesse-Bild

Minnesang.com
Dr. Lothar Jahn
Guderoder Weg 6
34369 Hofgeismar
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Süßkind auf CD:

Walther
JALDA REBLING: Juden im Mittelalter
- Neben diversen Beispielen jüdischer Musik aus "Sephard" und "Ashkenas" sind 4 Süßkindlieder zu Trobador-Melodien zu hören: Die "Gedanken", der "Herzensadel", "Des Mannes Krone" und "Küng Herre".
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Juden in Deutschland
JALDA REBLING U.A.: Juden in Deutschland 1250 - 1750
- Drei Süßkindlieder ("Der Wolf", "Herr Darbian" und die "tôren vart") eröffnen diesen Überblick, der von Hans Neusiedlers Judentanz über eine Moritat zu Joseph Oppenheimer bis hin zu Adam Krieger und Lejb Chasan reicht.

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Dr. Lothar Jahn und Hans Hegner arbeiten an einer CD mit dem Süßkind-Gesamtwerk, die 2015 erscheinen soll.
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Buchtipp:

Suesskindbuch
Friedrich von Torberg: Süßkind von Trimberg 
- Der Roman  entwickelt aus den Motiven seiner Lieder und aus den spärlich bekannten Fakten über das höfische Leben  und die stets bedrohte jüdische Existenz im Mittelalter ein opulentes historisches Tableau, bei dem der Sänger greifbar wird. Nicht immer sympathisch zwar, aber stets nachvollziehbar wird einer Ausnahme- Persönlichkeit Leben eingehaucht. Die vielfältigen Anfechtungen und Gefahren, denen ein fahrender Sänger allgemein und ein jüdischer Sänger im Besonderen ausgesetzt waren, werden auf lebendige Art geschildert. Ein sprachgewaltiges Buch von großer Klarheit und Einfühlungsvermögen in die Epoche. 
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SUESSKIND VON TRIMBERG
von Dr. Lothar Jahn

In der großen Manessischen Liederhandschrift, dem wichtigsten Dokument der Überlieferung des Minne- und Spruchgesangs, finden sich die Werke eines Sängers, der aus dem Rahmen fällt: "Süezkint, jude von trimberg".

Süßkind ist der einzige in der Überlieferung der Dichtung des Mittelalters bezeugte jüdische Autor. In seinem Werk verbindet sich die Tradition der moralischen und gesellschaftspolitischen Dichtung, wie sie Walther von der Vogelweide zur vollen Blüte gebracht hat, auf einzigartige Weise mit Motiven aus der jüdischen Tradition. Bei aller Meisterschaft der Dichtkunst und dem spürbaren Selbstbewusstsein, in die Fußstapfen Walthers zu treten, ist eine Bitterkeit immer wieder spürbar. Neben Verweisen auf alttestamentliche Motive finden sich Schilderungen einer kargen Existenz am Rande der Gesellschaft. Sie kulminieren im Eingeständnis des eigenen Scheiterns beim Versuch, als Jude bei Hofe Fuß zu fassen.

Den Texten beigefügt ist, wie in dieser prachtvollen Handschrift üblich, eine Miniatur des Autors: Man sieht ihn mit seinem Judenhut im prächtigen Gewand, mit Pelzen geschmückt,  einem christlichen Geistlichen gegenüber stehen. Das Blattgold seines Hutes findet sich im bischöflichen Stab wieder. Der bekannte Mittelalterforscher Peter Wapnewski interpretiert die Abbildung als Gerichtsszene: "Hier klagt ein christlicher Bürger - eben der Mann in der Mitte - gegen einen Juden in einer Sache, für die der Bischof als Gerichtsherr zuständig ist (in dieser weltlichen Funktion verzichtet er auf die Mitra)." Er stellt die Einzigartigkeit der Szenerie heraus: "Inmitten einer Welt, deren antisemitische Affekte sich furchtbar schon entladen hatten (und schon in nächster Zukunft werden sie sich zum mörderischsten Pogrom des Mittelalters steigern), stellt der Maler den Juden in den Frieden einer sich durch Recht und Gerechtigkeit ideal bestimmenden Ordnung. Und gibt ihm durch Stellung, Haltung und Kleidung den Rang der Gleichberechtigung." (Quelle: ZEITmagazin 35, 1988)

Das überlieferte Werk Süßkinds besteht aus 12 Strophen in 6 Tönen (= gleich strukturierten, aber nicht unbedingt inhaltlich zusammengehörigen Strophen). Darunter ist nur ein Minnelied im engeren Sinne, eine Frauenpreisung, die das edle Weib als "des Mannes Krone" hervorhebt. Dabei fehlt aber die Minneklage über eine Zurückweisung des Sängers durch die Dame. Die restlichen Lieder sind Sangsprüche in bester Walther-Tradition, wobei der Hang zur allgemeingültigen, von konkreten Personen und Ereignissen losgelösten moralischen Dichtung hervorsticht.

Diesen Grundansatz fasst er programmatisch in seinem Lied "Kein besser latwerje" zusammen: Ein Latwerg, eine feine Süßigkeit, lang eingekochte Früchte, ein Mus, in dem der Löffel steht, das gut schmeckt und Heilkräfte haben soll - solch eine Speise wollte der Sänger Süßkind seinem Publikum servieren. Etwas zum Genießen also, aber etwas, das gleichzeitig Treue,  Edelmut, Großzügigkeit, Stärke und das rechte Maß fordert.

Obwohl Süßkind keine Fürsten direkt lobt oder kritisiert, wurde sein Appell an den Adel, auch des Herzens Adel zu zeigen, gleichwohl verstanden, offenbar war ja das eher die Ausnahme als die Regel. Seine Preisung der Gedankenfreiheit beweist, dass viele Wahrheiten nicht ausgesprochen wurden. Seine Forderung, die Leistung der Armen für die Gesellschaft anzuerkennen, richtet sich gegen den Hochmut der Hochwohlgeborenen. Es wird in seinen Liedern stets deutlich, dass für ihn die Privilegien nicht selbstverständlich sind, dass er zu denen gehört, die Ehre, Mildtätigkeit, Treue und Großzügigkeit einfordern müssen, weil sie sonst verloren sind.  Er spricht von Gesetz und Verbot, die zum Schutz der Schwächeren durchgesetzt werden müssen, damit die "Esel" und die "Krokodile" sie nicht beherrschen.

Manche Germanisten konnten es über die Jahrhunderte nicht akzeptieren, dass ein jüdischer Dichter in der Manesse auftaucht. Trotz der ausdrücklichen Beifügung „Süßkind, Jude von Trimberg“, trotz des typisch jüdischen Namens, trotz des Bildes mit dem Judenhut, trotz der Bezüge in den Texten der Lieder auf jüdische Traditionen und Denkmuster, versuchte die Zunft, die Handschrift nachträglich zu arisieren. Noch im 19. Jahrhundert formulierte noch der Germanist Gustav Roethe in der Allgemeinen Deutschen Biografie: „Wüssten wir's nicht, wir würden den Juden aus seinen Sprüchen nicht herauswittern.“ Wobei er aber diesen respektlosen Satz anschließend selber widerlegt - durch zahlreiche Argumente von der im Judentum verbreiteten Latwerg-Allegorie bis hin zur egalitären Philosphie, die den „emanzipationslustigen Juden“ verraten könnte, und die differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Wucher, wie sie im Lied vom Wolf zum Ausdruck kommt, der sich wölfisch gebärden muss, weil auch er satt werden muss.

Süßkind muss mächtige und einflussreiche Freunde gehabt haben, die seine Lieder schätzten und ihm ein Leben alls höfischer Sänger ermöglichten. Er musste anerkannt und respektiert gewesen sein. Doch unter seinen Liedern sind einige wenige, in denen er persönlich wird. Und die sprechen von der Trauer über den Verlust einer guten Stellung, von der Sorge darum, das Überleben für sich und seine Familie zu sichern.  Herr "Blankenot von Darbian" gibt den Ton vor, dass "Herr Dünnehabe" sich im Hause breit macht und verhindert, dass die Kinder ihre weit offenen Schnäbel gefüllt bekommen.

Hinzu treten die Vorahnungen: Was kommt nach dem Sterben? Er kann sich nicht berufen auf das christliche Heilsversprechen eines besseren Lebens nach dem Tode. Er sieht im Geiste schon die Würmer, die auf ihn warten. Der Jude wandert davon, denn die Tore der Burgen bleiben ihm nun verschlossen. Was bleibt, ist die Gewissheit des Todes, dem keiner entrinnen kann.

> Auf der Website alemannia-judica finden sich Artikel vom Anfang des letzten Jahrhunderts, die sich mit Süßkind beschäftigen. Darunter eine gereimte Biografie, die Süßkind anachronistischerweise in den Kontext des "Sängerkriegs auf der Wartburg" hineinversetzt. 

> Hans Hegner (Sänger und Musiker und Dr. Lothar Jahn (historischer Hintergrund, div. Saiteninstrumente) bringen die Lieder und Texte von Süßkind auf die Bühne - auf Wunsch auch mit zusätzlichen Musikern. Buchungsanfrage hier.  Mehr zum Projekt.

> Der Komponist Richard Dünser aus Bregenz hat aus einigen Süßkindliedern eine Orchesterkomposition mit dem Namen "Süßkindszenen" entwickelt. Sie wurde erstmals 2014 vom Symphonie-Orchester Vorarlberg aufgeführt.  Die Vorarlberger Nachrichten schrieben dazu: "Der (...) Komponist hat in seinem viersätzigen Werk beklemmend aktuelle Texte des jüdischen Minnesängers Süsskind von Trimberg aus dem 13. Jahrhundert in wunderbaren Farben und großer Sinnlichkeit verarbeitet, die das Orchester schwelgerisch, mit breitem Klangspektrum auskostet. Es geht dabei um erste antijüdische Tendenzen der „Herren“, um Verliebtheit, bei der Dünser in einer Hommage an seine Frau Hanna selbst zum Minnesänger wird, bis zur Totenklage in einer Art Holocaust-Szene, bei der Zitate jüdischer Lieder urplötzlich im Nichts enden." (Vorarlberger Nachrichten, 18.1.2014) 
Walther von der Vogelweide
Süßkind von Trimberg, Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift

Lebensdaten:
Wahrscheinlich stammt Süßkind aus Trimberg in der Nähe von Kissingen.  Lange ging man davon aus, dass man ihn nie biografisch orten könnte, aus Art und Diktion der Texte schloss man auf eine Wirkungszeit um 1250. Der Autor Paul Arnsberg, der sehr ausführlich die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Hessen erforscht und dokumentiert hat, berichtet jedoch von einem „Memorbuch“ aus Schlüchtern, das Süßkind erwähnt. In Memorbüchern hielten Juden das Gedenken an ihre Toten wach. In diesem Buch soll Süßkind erwähnt werden als häufiger Gast in Schlüchtern, wo er auch hochbetagt gestorben sein soll und auf dem jüdischen Friedhof begraben wurde. Die Bezüge von Trimberg in der Nähe von Kissingen nach Schlüchtern bestanden: So war Albert von Trimberg Schirmherr des dortigen Klosters und Gerichtsherr in Schlüchtern. 

Es gibt kein überliefertes Notenmaterial.

> Für ein Süßkind-Projekt haben 2011 Hans Hegner und Lothar Jahn Kontrafakturen erstellt, die die Musik von Süßkind-Zeitgenossen mit den Texten des jüdischen Minnesängers verbinden. Diese Lieder gibt es in moderner Notation zum Preis von 3 Euro pro Notenblatt bei Minnesang.com, zuzügl. 3 Euro Versandpauschale!


LIEDBEISPIEL VON SÜSSKIND

Irs mannes krôn ist daz vil reine (süeze) wîp
iemer in wol êret ir vil werder lîp.
er sælig man, dem (dâ) diu guote sî beschert!
Der mag ân zwîvel mit ir sîniu jâr
willeclîch vertrîben stille und offenbâr –
er sich mit ir sünden unde schanden wert.
Mit hôher stæt ist sî bedacht,
ir liecht fiur löschet nicht in nacht,
ir hôhez lop mit der meisten menge vert.

Des Mannes Krone ist ein holdes Weib,
Und noch mehr ehrt ihn wohl ihr edler Leib,
Ein sel'ger Mann, dem die Gute ist beschert.
Er wird ohne Zweifel mit ihr seine Jahr'
Im Einklang dann verbringen, froh und rein und klar,
Weil er sich gegen Sünd und Schande wehrt!
Mit hoher Treu ist sie bedacht,
Ihr Licht verlischt auch nicht zur Nacht,
Ihr Lob erklingt an jedem Ort, zu dem man fährt.

Ich var ûf der tôren vart
mit mîner künste zwâre –
daz mir die hêrren nicht went geben,
des ich ir hof wil fliehen
und wil mir einen langen bart
lân wachsen grîser hâre:
ich wil in alter juden leben
mich hinnan fürwert ziehen.
Mîn mantel, der sol wesen lang,
tief under einem huote
dêmüeteclich sol sîn mîn gang –
und selten mê gesingen hovelîchen sang,
sîd mich die hêrren
                scheident von ir guote.

Ach, wie ein Narr war ich auf Fahrt,
mit meiner Kunst für Jahre.
Auf sie will keiner mehr was geben,
Ich werd' dem Hof entfliehen.
Bald trag ich einen langen Bart,
Schon sprießen mir die Haare.
Ich werd' nach alter Väter Sitte leben
Und durch die Lande ziehen.
Mein Mantel weht schon weit und lang
Tief unter meinem Hut.
Und voller Demut ist mein Gang,
Nie wieder singe ich des Hofes Sang.
Gehabt euch wohl!
Er macht sich fort, der Jud!
Originale: Süßkind von Trimberg, Manessische Liederhandschrift, 13. Jh.
Nachdichtung: Lothar Jahn 2008

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