KulturWormser Zeitung /Rhein Main Presse 25.03.2015

Festival Wunderhoeren präsentiert
Lieder  des jüdischen Minnesängers Süßkind von Trimberg

Hans Hegner und Lothar Jahn#
Von Michaela Weber

WORMS - Einen mit Blattgold verzierten Judenhut, Bart und ein vornehmes Gewand mit Pelzbesatz trägt der Spruchdichter Süßkind von Trimberg in der Miniatur aus dem Codex Manesse (14. Jh.). Diesem einzigen in der deutschsprachigen Dichtung des Mittelalters nachgewiesenen jüdischen Autor widmeten sich Hans Hegner und Dr. Lothar Jahn im Rahmen von "wunderhoeren - Tage alter Musik und Literatur in Worms" mit ihrem Programm "Süßkind von Trimberg: Der Minnesänger mit dem Judenhut". Alle zwölf erhaltenen Sangsprüche des Zeitgenossen Walthers von der Vogelweide brachte das Duo in der Synagoge in mittelhochdeutscher Sprache sowie deutscher Übersetzung zu Gehör.

Begleitet von einer beeindruckenden Vielzahl historischer Instrumente näherten sich der Berliner Musiker Hans Hegner, einer der bekanntesten deutschen Interpreten des Minne- und Spruchgesangs, und Kulturmanager und Musiker Lothar Jahn während ihres rund zweistündigen Konzerts in ihrer Interpretation dem mittelalterlichen Vortrag an. Mit Schalmei, Schlagpsalter und Drehleier begleiteten sie musikalisch die zwischen 1250 und 1300 entstandenen Originaltexte des Minnesängers. Jahn stellte die von Hegner neu übersetzten Texte, zu denen keine eigenen Melodien überliefert wurden, dem interessierten Publikum vor und erläutete kenntnisreich die geschichtlichen Hintergründe jedes Liedes.

In Süßkinds Dichtungen verbinden sich jüdische Kultur mit moralischen Klagen über die sozialpolitischen Missstände seiner Zeit, Unterhaltung mit Belehrung. Wiederholt geht er auf den Gegensatz zwischen Adeligen und Nichtadeligen, zwischen Reichen und Armen ein, warnt davor, dass sich schlechte Lebensart mit edler Herkunft mischt und nennt den edel, der zwar nicht von hoher Herkunft, dafür aber guter Gesinnung ist.

Fahrende Sänger

In diesem Zusammenhang verwies Jahn auf die Funktion der fahrenden Sänger, die - finanziell abhängig von ihren höfischen Förderern - durch Lob und Tadel zu Propagandisten von Fürsten und Kaisern wurden und zu deren Herrschaftslegitimierung beitrugen. In seinem Text "Ein Wolf" verteidigt Süßkind den jüdischen Geldverleiher - einen der wenigen Berufe, die Juden ausüben durften, - der als Wucherer verachtet, auch ein Recht zu überleben habe.

Aus den abschließenden Liedern, "Herr Blankenot" oder "Gedanken ans Ende", scheint dann ein gebrochener Mann zu sprechen, der seine gehobene Sonderstellung als jüdischer Sänger bei Hofe eingebüßt hat. Düster und hoffnungslos handeln sie von Elend und Armut. Ob zeittypisches Heischemotiv oder biografische Selbstdarstellung - mit seiner klagenden Stimme berührt der mittelalterliche Sänger personifiziert von Hans Hegner auch heute noch die modernen Zuhörer, denen die beiden Musiker in ihrem hörenswerten Konzert diesen Dichter nähergebracht haben.